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BuchBesuch zur Klostermedizin

Br. Ansgar Stüfe OSB ist auch Arzt. Zum BuchBesuch hat er sich nun einem medizinischen Thema gewidmet.

Gewöhnlich verstehen viele Menschen unter Klostermedizin die Anwendung von Kräutern nach geheimnisvollen Rezepten der Nonnen und Mönche. Dieses Konzept ist aber eine Erfindung der letzten Jahrzehnte. Als Arzt und Mönch von Münsterschwarzach wollte ich beim Buchbesuch im Klosterladen erklären, was es mit der Klostermedizin wirklich auf sich hat.

Benediktiner haben seit ihrer Gründung Schriften der Antike gesammelt und abgeschrieben. Sie interessierten sich nicht nur für Bücher geistlicher Schriftsteller, sondern auch für ärztliche Aufzeichnungen. Zu Montecassino gehörte das Kloster Salerno. Dieser Ort liegt im Süden Italiens und hatte damals engen Kontakt mit den Arabern. Aus diesem Kontakt entstand in Salerno die erste und bedeutendste medizinische Hochschule des frühen Mittelalters im 8. und 9. Jahrhundert. Salerno wurde damals aufgegeben und Montpellier in Frankreich trat das Erbe an. Danach bewahrten die Klöster die Schriften und behandelten sie wie autoritative Texte der Bibel. Neue Erkenntnisse kamen nicht hinzu.

Die Klöster haben selbst keine Naturuntersuchungen angestellt, sondern nur die antiken Texte ausgelegt und deren Ratschläge weitergegeben. So wurden Kalender veröffentlicht mit Anweisungen für jede Jahreszeit, wie am besten die Gesundheit zu erhalten sei. Diese Art der Textauslegung war in dieser Zeit die höchste Form der Wissenschaft und wurde an den Universitäten gelehrt.

Im 15. und 16. Jahrhundert brach diese Tradition ab. Allmählich löste sich die Medizin von der kirchlichen Dominanz und wurde mehr und mehr eigenständige Wissenschaft an den Universitäten. Ohne die Übertragungsleistung der Benediktiner gäbe es allerdings keine Universitätswissenschaft. Benediktiner haben nie volkstümliche Klostermedizin betrieben, sondern die Schriften waren an die gelehrte Welt gerichtet.

Die ursprüngliche Zielrichtung klösterlichen Lebens war allerdings die geistliche Gesundheit. Diese Lehre wurde von den frühen Mönchen entwickelt. In der jüngeren Zeit wurde durch die Übersetzungsarbeit von Frau Dr. Gabriele Ziegler Johannes Cassian von Münsterschwarzach aus wieder bekannt gemacht. In diesem Winter kommt das neueste Buch heraus:

"Die Heilmittel für der acht Hauptlaster". Darin beschäftigt sich Johannes Cassian mit den Grundtrieben des Menschen und gibt Ratschläge, wie man damit umgehen sollte, um zur inneren Reinheit, also seelischer Gesundheit, zu kommen. Ich habe dazu einen Kommentar geschrieben, aus dem ich beim BuchBesuch vorgelesen habe. Meine Beobachtung war, dass Johannes Cassian die Erkenntnisse der modernen Verhaltensforschung vorweg genommen hat. Die Mönche, von denen Cassian berichtet, lebten in der Wüste Ägyptens.

Wir befinden uns im 4. Jahrhundert. Durch die besondere Lebensform in der Wüste hatten die Mönche Gelegenheit, sich selbst zu beobachten. Dabei fiel ihnen auf, dass es Triebe im Menschen gibt, die angeboren sind und solche die erworben wurden. In der Tat sagt auch die Verhaltensforschung, dass der Selbsterhaltungstrieb und der Arterhaltungstrieb angeboren sind. Dazu gehören der Esstrieb, der Flucht- und Aggressionstrieb und die Sexualität. Bei Cassian heißen die vier Essgier, Traurigkeit, Zorn und die Gier nach Lust. Neben diesen gibt es die erworbenen Triebe wir die Geldgier, die Akedia (Lustlosigkeit), die Eitelkeit und der Hochmut.

Zwar richtet sich der Text an Mönche, aber die Einsichten in seelische Grundstrukturen des Menschen gehen jeden an. Daher lohnt es sich, Bücher von Johannes Cassian auch heute noch zu lesen. Das Buch wird im Januar 2020 erscheinen.