Unter Sündern - ein außergewöhnlicher Kelch aus der Klostergoldschmiede

Ein Schläger, eine Prostituierte und ein Clown – all diese Figuren sind auf einem neu angefertigten Kelch zu sehen. Am Wochenende wurde dieser geweiht.

In einem feierlichen Pontifikalgottesdienst mit Weihbischof em. Dr. Johannes Kreidler ist in Wört (Bistum Rottenburg-Stuttgart) ein besonderes Werk aus der Goldschmiede der Abtei Münsterschwarzach geweiht worden. Die Messe mit anschließender Feier fand in der Heimatpfarrei des neuen Besitzers statt: Der in Münster/Westfalen lehrende Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf hat sich nach dem Diebstahl seines Primizkelches einen einzigartigen neuen Kelch anfertigen lassen. Vor einem Jahr gab er diesen in der Klostergoldschmiede in Auftrag.

Eine Kopie sollte es von Anfang an nicht werden, stattdessen das Primizbild von Prof. Wolf symbolisieren: Das Mahl der Sünder von Sieger Köder. Bereits während des ersten Gesprächs skizzierte Goldschmied Andreas Jurowski den ersten Entwurf. Ein Becher sollte es werden, mit plastischen Figuren.

Die Idee: Eine Neuinterpretation des bekannten Kunstwerks mit Bezug auf die heutige Zeit. Jede Person habe, so Jurowski, nach dem Vorbild der mittelalterlichen Heiligen, ein Symbol zugeordnet bekommen: Handschellen, Knüppel, Spritze.

Auf dem Kelch sind ein Clown, ein Professor, eine Prostituierte, ein Punk, ein Schläger, eine Drogenabhängige und ein Flüchtling zu sehen. „(…) allesamt Sünder. Sie alle finden Platz auf seinem Kelch des Lebens“, betonte Prof. Wolf in seiner Predigt. Außergewöhnlich und theologisch interessant sind laut Jurowski auch die unterschiedlichen Mattierungen. Während Kelchfuß und Figuren grob strukturiert und geschwärzt mattiert das Irdische symbolisieren, ist der obere Bereich glatt und glänzend poliert. Der Betrachter, ob Zelebrant oder Gottesdienstteilnehmer, spiegelt sich: „Er sieht sich selbst also zwischen den Sündern, er wird Teil von ihnen.“ Ganz bewusst hat der Goldschmied den Kelch so gestaltet.

Ein Teil der Sünder

Ein Aspekt, den auch Prof. Wolf bei Feier der Kelchweihe immer wieder aufgriff: „Die Eucharistie ist ein Mahl mit den Sündern, wenn sie das Mahl unseres Herrn Jesus Christus sein will. Und wir alle sind Sünder!“ In ganz wunderbarer Weise sei dieser Grundgedanke im neuen Kelch durch die Arbeit Jurowskis aufgegriffen. „Auch ich werde mich bei jeder Messe, wenn ich den Kelch des Lebens hochhalte, gespiegelt sehen und Teil der Sünder sein“, erklärte Wolf. Der Kelch mahne weiter zu Demut, Bescheidenheit und Dankbarkeit.

Für den Leibnizpreisträger und bekannten Kirchenhistoriker sei es außerdem von großer Bedeutung gewesen, die Kelchweihe an dem Ort zu feiern, an dem er 1985 seine erste Heilige Messe feiern durfte: „Und wie hätte ich ohne Euch feiern und dieses Mahl halten sollen?“ In den Fürbitten wurden die auf dem Kelche abgebildeten Figuren noch einmal in den Fokus gestellt. So wurde etwa mit dem Sinnbild des Flüchtlings für die Toten und Gefallenen der Weltkriege gebetet und mit dem der Drogenabhängigen für alle Kranken.

Beim anschließenden Empfang zeigte Jurowski Bilder von der Entstehung und erzählte, wie er gemeinsam mit Prof. Wolf und seinen Kollegen zum endgültigen Entwurf gekommen sei. „Ich bin sehr dankbar, dass wir diese spannende und inspirierende Arbeit für Prof. Dr. Wolf anfertigen durften“, freute er sich. Gemeinsam mit der Leiterin der Goldschmiede Sabine Bechtel stellte er sich dann den vielen Fragen der Besucher.

Zum Kelch

Goldschmied Andreas Jurowski orientierte sich nach eigenen Worten zwar am Stil von Sieger Köder, wollte aber die Figuren in die Gegenwart transportieren. „Ich zeichnete zuerst den Clown, um ein Gespür zu bekommen“, erklärte er. Die Figuren sollten immer Archetypen bleiben. Darüber hinaus habe er auch an Persönlichkeiten und dem Gesichtsausdruck der Figuren gearbeitet: „Das Modellieren der Sünder ist nicht nur Handwerk, sondern auch viel Einfühlen in die Persönlichkeiten.“ Das Feedback seiner Kollegen und vieler Besucher der Goldschmiede habe ihm dabei sehr geholfen.

Als Vorlage für den Sakralgegenstand diente das Bild „Das Mahl mit den Sündern“ von Sieger Köder. Auf dem originalen Werk sind, von rechts nach links betrachtet, ein Afrikaner, eine vornehme Dame, ein Intellektueller, ein Clown, eine blinde alte Frau, eine Prostituierte und ein jüdischer Rabbi zu sehen. Das 1973 als Wandbild in der Villa San Pastore entstandene Werk gilt als eines der bekanntesten Bilder von Sieger Köder. Es zeigt symbolisch das Kernstück der biblischen Botschaft: Jesu Gemeinschaft mit den Ausgestoßenen.