Predigten

„Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser!“

Predigt von Pater Jesaja Langenbacher OSB in der Abteikirche Münsterschwarzach am Fest der Taufe des Herrn, 7. Januar 2018, Lesejahr B, Evangelium nach Markus 1, 7-11

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

wir alle haben Hunger und Durst nach Leben, nach einem Leben in Fülle. Wir sehnen uns nach einem Leben, in dem alles stimmt, alles passt. Wir sehnen uns nach Glück, Gelassenheit, Freude und tiefem inneren und äußeren göttlichen Frieden! 

Und wie suchen wir uns diese Sehnsucht zu erfüllen? Gerade vor Weihnachten konnten wir diese Erfahrung wieder machen: wir kaufen und bezahlen mit Geld, was uns nicht nährt. Wir bezahlen mit dem Lohn unserer Mühen, was uns letztendlich nicht satt macht, diesen Hunger und Durst nach einem Leben in Fülle nicht stillt.

Die vielen Menschen, die zur Zeit Johannes des Täufers zu diesem in die Wüste zogen, haben sich diese Erkenntnis zu Herzen genommen. Sie sind ihrer Sehnsucht nach einem „Leben in Fülle“ gefolgt. Sie haben Johannes geglaubt, dass der einzige Weg zu einem solchen Leben über die „Umkehr“ geschieht, allein zu Gott umzukehren, sich IHM wieder zuzuwenden, der letztendlich dieses Leben in Fülle schenken kann.

Die Fülle des Lebens kann nur mit dem Herzen wahrgenommen werden. Und gerade unsere Herzen sind oft wie eingehüllt oder eingetrübt von verschiedenen Erfahrungen, Emotionen und Gedanken: als Kinder wurden wir nicht immer als die gesehen und geliebt, die wir eigentlich von Gott her sind; wir wurden enttäuscht, vielleicht verraten, verletzt – und wohl das Schlimmste, wir haben das Gefühl für die Einheit mit allen Menschen, der ganzen Schöpfung und mit Gott verloren.

Diese größte Tragik des Lebens wird uns im Buch Genesis in der Geschichte von Adam und Eva berichtet: sie wurden aus dem Paradies, dem Be-Reich Gottes hinaus geworfen und mussten von da an unter Mühsal ihr Leben gestalten. Sie haben „den Himmel verloren“ – und wir als ihre Nachkommen – auch. Alles Tun, Arbeiten, Mühen von unserer Seite bringt uns nicht in diese Erfahrung von Einheit zurück – wir können uns das nicht verdienen. Und so bleibt unser Tun letztendlich erfolglos und leer.

Aber wie wir es aus der Heilsgeschichte wissen, lässt uns Gott doch nicht allein. Immer wieder hat er im Alten Testament den Menschen seinen Bund angeboten, seine neue „Ver-Bund-en-heit“, seine mütterlich-väterliche Beziehung. „Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen“, so schreibt es der Prophet Jesaja. „Hört, dann werdet ihr leben.“

Das Ziel aller Verheißungen Gottes ist, dass wir wieder zurück zu seinem Bund finden, in die ursprüngliche Einheit. Der Weg, der hier beschrieben wird, geht über das Hören, die Suche nach Gott, das Rufen nach ihm im Gebet und schließlich die Umkehr – sich ihm mit ganzem Herzen wieder zuzuwenden.

Von dieser „Umkehr“ predigt auch Johannes der Täufer. Und seine „Taufe mit Wasser“ im Jordan soll alles Alte, Lebenshinderliche, alle Wunden im Ein-Fluss-Be-Reich Gottes abwaschen. Neben dem „Abwaschen des alten verwundeten Menschen“ soll der Jordan den Menschen gleichzeitig im „Ein-Fluss-Be-Reich Gottes“ erneuern und ihn die Einheit mit Gott spüren lassen.

Jesus stellt sich als einer von uns, als Mensch, „ganz normal“ in diese Reihe der Umkehrenden und der Täuflinge. Mit ihm geschieht beispielhaft, was Gott für uns alle vorgesehen hat: nachdem alles Vergangene abgewaschen ist, sollen und dürfen auch wir erfahren, dass wir geliebte Töchter und Söhne Gottes sind.

Wie Weihnachten uns in die Erfahrung führen möchte, dass Gott auch in unseren Herzen immer wieder geboren wird, so sollen wir mit Jesus im Jordan in den „Ein-Fluss-Be-Reich Gottes“ eingetaucht werden, in die Erfahrung, dass Gott uns „mit seinem offenen Himmel“ von allen Seiten umgibt.

Wir sind eigentlich nie „aus Gott herausgefallen“. Wie die Luft uns hier in der Kirche umgibt, so umgibt uns Gott. Wie der Weihrauch das Licht sichtbar macht, in dem wir immer stehen, so umgibt uns Gott. Wie die Klänge der Orgel und der Gesänge uns von allen Seiten umgeben, so umgibt uns Gott.

Jede Kirche selbst ist eine äußere Gestalt für den Himmel Gottes: in Barockkirchen werden die Engel und himmlische Bilder ausgestellt, in manchen Kirchen wird durch einen gelben oder leichten rosa Farbton die Gegenwart der göttlichen Liebe angedeutet. Der himmlische „Ein-Fluss-Bereich“ ist schon auf der Erde! Jede Kirche ist auch wie ein Mutter- oder Vaterschoß, in dem die Kinder des Lichtes – wir sind damit gemeint – durch den Heiligen Geist neu geboren werden.

Wenn wir in eine Kirche gehen, betreten wir diesen „Ein-Fluss-Be-Reich Gottes“, betreten wir das Himmelreich, das Herz Gottes selbst. Jedes Mal dürfen wir uns die Alt-Lasten von IHM davon schwemmen lassen. Jedes Mal dürfen wir uns wie die kleine Hostie im Kelch durchtränken lassen von seinem Blut, d.h. von Christi heilendem heilmachendem Geist. Jedes Mal sind wir eingeladen, dass wir unseren verwundeten Leib in seinem Herzen heilen lassen dürfen.

Lassen wir uns die heilende Stimme Gottes jeden Tag tief in unser Herz sprechen: „Du bist meine geliebte Tochter, Du bist mein geliebter Sohn. Du gefällst mir!“ Amen.

Pater Jesaja Langenbacher OSB