Predigten

Christus in uns geboren

Predigt von Abt Michael Reepen OSB in der Vesper an Heiligabend.

Liebe Schwestern und Brüder hier in der Abteikirche und wo immer sie jetzt mit uns hier in Münsterschwarzach verbunden sind, liebe Mitbrüder auf der Infirmerie und hier im Chor,

wieder stehen wir in diesem Jahr mit Maske und Abstand vor dem Christbaum, vor der Krippe, obwohl geimpft, geboostert, getestet… Wir hatten wirklich gehofft, dass wir einigermaßen „normale Weihnachten“ feiern können und nun hat das Virus wieder zugeschlagen. Wir haben die 5. Welle unterm Christbaum.

- ICH STEH AN DEINER KRIPPE HIER, OH JESU DU MEIN LEBEN

Die Kriegsgeneration der Mitbrüder und auch meine Eltern haben erzählt, wie sie während des 2. Weltkrieges Weihnachten gefeiert haben: Hinter verdunkelten Fenstern, an der Front, weit fort von zuhause, in Baracken und Ställen, weil alles zerstört war. In der Hoffnung, dass der Krieg bald vorbei sei.

Ähnlich war es im 1. Weltkrieg. Es gibt ja diese berühmte Begebenheit am Heiligen Abend 1914: wie deutsche und französische Soldaten, die eben noch aufeinander geschossen hatten, aus den Schützengräben kamen, gemeinsam Weihnachtslieder sangen, kleine Geschenke austauschten, manche sogar ihre Adressen und sich verabredeten für die Zeit nach dem Krieg.

Mitten in der Brutalität und unendlichen Not des 30-jährigen Krieges, in dem ganze Landstriche ausgelöscht wurden, Seuchen und Hungersnöte die Menschen hinwegrafften, schrieb Paul Gerhard, gezeichnet vom schrecklichen Geschehen um ihn herum: „ICH LAG IN TIEFSTER TODESNACHT, DU WAREST MEINE SONNE“ Innerlich tief berührt und getroffen vom Geschehen in der Krippe dichtete er eines der innigsten Weihnachtslieder:

Ich steh an Deiner Krippe hier, oh Jesu Du mein Leben. Ich komm und bring und schenke Dir, was Du mir hast gegeben. Nimm hin es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin, und lass Dir`s wohl gefallen.

Er führt ein Zwiegespräch mit dem Kind in der Krippe und sinnt nach über das Geschehen. Er nimmt wahr und spürt, dass das etwas zuinnerst mit ihm zu tun hat. Ja, mit seiner eigenen Geburt:

„Da ich noch nicht geboren war, da bist Du mir geboren und hast mich Dir zu eigen gar, eh ich Dich kannt erkoren“.

Also vor meiner Geburt, bevor ich geboren wurde, ist er mir schon geboren, ist er in mir schon geboren und ich in ihm. Durch meine Geburt kommt Christus in die Welt. Durch jeden Menschen wird Christus geboren, wird ER sichtbar in der Welt…

Oh welch eine Würde des Menschen, jedes Menschen…
Oh - wer bin dann ich?
Oh - wer ist dann mein Bruder, meine Schwester
Oh – wer bist dann du Kind?

Dann kann ich nicht anders als mich ihm hingeben: „Nimm hin mein Geist und Sinn. Herz Seel und Mut nimm alles hin und lass dir’s wohl gefallen“

Der Lesungstext aus dem Johannesevangelium greift das auf:  „All denen jedoch, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Sie wurden es weder aufgrund ihrer Abstammung noch durch menschliches Wollen, noch durch den Entschluss eines Mannes; sie sind aus Gott geboren worden. (Joh1,12f)

Wir sind aus Gott geboren – Ich bin in Christus geboren. Darum feiern wir heute unser aller Geburtstag. Und wir können singen: „Du warest meine Sonne, Licht Leben Freud und Wonne…. Ich sehe Dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen“…

P. Meinrad hat in diesem Jahr unsere Krippe hier in der Abteikirche gestaltet unter dem Motto: „Wir sind die Krippe“. Er hat alltägliche Menschen aus Zeitschriften und Zeitungen heraus vergrößert und ihnen Gesichter von realen Menschen gegeben. Der Mann, der da am Boden sitzt ist das Bild eines Muslims, der auf dem Platz vor der Geburtskirche in Betlehem nach den Terroranschlägen von Paris und Beirut eine Kerze für Frieden und Versöhnung anzündet.

Die anderen sind Menschen wie Du und ich. Mitten im Alltag. Maria, Josef und das Kind sie sind eng beieinander. Wir, die Menschen sind die Krippe in der Rolle, die wir haben und Christus ist mit mir geboren. „Oh dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, das ich Dich möchte fassen“.

An der Krippe - Lied:

Ich steh' an deiner Krippe hier,
o Jesu, du mein Leben;
ich komme, bring' und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel' und Mut, nimm alles hin
und laß dir's wohl gefallen.

Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast dich mir zu eigen gar,
eh’ ich dich kannt’, erkoren.
Eh’ ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.

Ich lag in tiefer Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud’ und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht’,
wie schön sind deine Strahlen.

Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib’ ich anbetend stehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär’
und meine Seel’ ein weites Meer,
daß ich dich möchte fassen.
(Paul Gerhard 1653)