Predigten

"Schwangerschaftsgymnastik im Advent"

Predigt zu Lk 21, 25-28.34-36 – Predigt von P. Jesaja Langenbacher OSB am 1. Adventssonntag in der Abteikirche Münsterschwarzach

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

im Advent begegnen uns ganz viele unterschiedlichen Stimmungen, Bilder, Gerüche und Klänge. Denken wir nur an die verschiedenen Advents (bzw. Weihnachts-) märkte, an das Plätzchenbacken zu Hause, die Einkäufe in den bunt beleuchteten Einkaufspassagen, die Advents-(und leider auch schon Weihnachts-)lieder. Alte Erinnerungen an schöne Erlebnisse der unbeschwerten Kindheit werden in unseren Herzen wachgerufen. All das nährt unsere Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Geborgenheit in Gott, nach dem Himmel auf der Erde – wo das Gute herrscht.

Gleichzeitig begegnen uns in der dunklen Jahreszeit auch die Kriege und Konflikte in der Welt, die Sorgen um den Klimawandel, die Ausbeutung unsere Ressourcen, der Rechtsruck in vielen Demokratien und auch noch unsere persönlichen Sorgen und Nöte. Die Welt ist im Umbruch: das Alte, bisherige Vertraute wackelt und das Neue ist noch nicht da …

Da scheint es gar nicht mehr so weit daher geholt zu sein, das Evangelium daneben zu legen und zu hören, dass die Völker bestürzt und ratlos sind – über das „Toben und Donnern des Meeres“. Es spricht von den Ängsten vieler Menschen „in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen“; die „Kräfte des Himmels“ werden anscheinend wirklich erschüttert.

Es wäre trostlos, würden wir hier enden. Deshalb ruft uns das Evangelium zu, dass wir nicht auf das Dunkel und die Probleme fixiert bleiben sollen, sondern „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe!“ Wir sollen Ausschau halten nach Lösungen, was uns hilft, uns weiterführt, uns von den Dingen, die uns belasten heilt. Letztendlich ist es ein Ausschau halten nach Gott, der unser Frieden, unsere wirkliche Erlösung ist.

Wir können die oben beschriebenen Spannungen und Umbrüche mit dem Heiligen Apostel Paulus auch als Geburtswehen deuten: er sprach davon, dass die gesamte Schöpfung und auch wir im persönlichen Leben immer wieder in Geburtswehen liegen. Wir können uns zwar nur vage vorstellen, wie ein Kind die Geburtswehen, die „Erschütterungen im Mutterleib“ wahrnimmt und vielleicht wirklich „dem Ende des Lebens“ im Mutterleib mit Angst entgegen geht. Von außen wissen wir, dass die Wehen Vorboten und Zeichen des neuen Lebens sind.

Wenn wir mit Paulus, die augenblicklichen Krisen und Herausforderungen als Geburtswehen der Welt und des Menschen deuten, dann können wir darauf vertrauen, dass am Ende das neue Leben steht. Wie wenn die Frau ihr neugeborenes Kind in den Armen hält, so verheißt uns Gott, dass er uns in diesen Verwandlungsprozessen zu neuen Menschen machen und zu neuen Gesellschaftsformen führen möchte.

Alles ist und bleibt vorläufig, solange wir uns noch nicht ganz auf seine Kosmisch-menschliche Schöpfungsordnung eingelassen haben.

Der Trost, den wir trotz unserer seufzenden Herzen im Augenblick haben, ist, dass die Kraft des Lebens, Gott, der Heilige Geist schon in unseren Herzen wohnt. Wir sind wie Maria schon von Gott befruchtet. Wir sind schon schwanger von und mit dem Heiligen Geist, der alles durchwebt und belebt. Wir dürfen voll Vertrauen darauf warten, dass Christus auch in uns geboren wird und uns und die Welt schließlich ganz erfüllt. Das klingt jetzt wie ferne Zukunftsmusik …

Was also ist unsere nächste Aufgabe im Advent? Wenn wir uns auf die Geburt Gottes, das Aufscheinen Gottes im eigenen Herzen vorbereiten, was liegt also näher, als dass wir – Vorsicht Humor/Spass – „Schwangerschaftsgymnastik“ machen? Da gibt es mehrere Möglichkeiten, dem göttlichen Licht, der Freude, dem Frieden zu helfen, dass sie in uns geboren werden, aufscheinen: Das Evangelium spricht davon, dass wir uns in Acht nehmen sollen, dass uns Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags nicht verwirren. Wir sollen aufmerksam und wach in unserem Alltag leben, allezeit beten (so gut, wie es eben für uns möglich ist) und uns immer wieder für das „richtige Handeln“ entscheiden, was zum Guten und zum Frieden beiträgt.

Öffnen wir neben den Türen des Adventskalenders auch die Türen unserer Herzen indem wir anderen und auch uns selbst etwas Gutes tun. Die Heilige Theresa von Avila rät uns etwa: „Tu Deinem Leib etwas Gutes, damit Deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Wir könnten hier an das sogenannte „Waldbaden“ denken: in den Wald gehen und mit der Freude eines Kindes alles mit allen Sinnen wahrnehmen (die positive Auswirkungen sind wissenschaftlich erwiesen).

Gott ist nahe – und Gott ist in unseren Herzen schon da!!! Sich für IHN bereiten heißt, dass wir bereit sind, unser persönliches Ja zu sprechen, dass wir einverstanden sind, dass er unsere Herzen weiter öffnet, dass er mehr und mehr „durchbrechen“ darf, dass ER sie heilt und uns in die neue Herzens- und Welt-Ordnung führt.

„Richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe!“ Amen.