Predigten

Verkünder des Glaubens

Predigt von P. Placidus Berger OSB am 7. Sonntag in der Osterzeit

In unserer heutigen Lesung tritt mit großer Kraft eine geschichtsträchtige Gruppe aus der Urkirche in Jerusalem in das Licht der Kirchengeschichte. Eine Gruppe, die den konservativen Judenchristen reichlich verdächtig war, und das schon seit Jahrhunderten bei ihren Vorfahren: Die Gruppe der griechisch-sprachigen Gläubigen, die zum Teil aus verschiedenen Nationen kamen.

Sie waren von der hellenistischen Lebensart geprägt. Zu dieser Gruppe neigten vor allem die Jüngeren, die deswegen von den Älteren als verdächtig angesehen wurden. Man erkennt sie gewöhnlich schon an ihrem griechischen Namen.

Für diese Gruppe wurde sogar ein neues Amt in der Kirche eingeführt, die „Sieben“, die man später Diakone nannte. Ein neues Amt in der Kirche wäre wohl auch heute nötig. Ausgerechnet aus dieser Gruppe stammte Stephanus, der erste beispielhafte Martyrer der jungen Kirche, dem die Apostelgeschichte das höchste Lob zuerkannte, das man ausdrücken konnte. Sie sagt nämlich: Er war voll des Heiligen Geistes.

Das ist ein Wort! Das ist wohl auch der Grund, warum diese Lesung heute am Sonntag vor Pfingsten gelesen wird.Er war ein brillanter Redner, wie man es in seinem Plädoyer im Gerichtssaal nach-lesen kann. So glanzvoll verkündete er auch den Glauben an Jesus. Und das musste zum Konflikt führen. Als er dem Hohen Rat vorwarf, dass sie sich stur dem Hl. Geist widersetzten, gerieten sie außer sich vor blinder Wut.

Von Stephanus dagegen sagt die Apostelgeschichte: Er aber, erfüllt vom Hl. Geist, blickte zum Himmel empor und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen. Und noch einmal sehen wir, wie er vom Hl. Geist erfüllt war. Als er bei der Steinigung zusammenbrach, rief er laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Genau wie Jesus am Kreuz. So kann sterbend nur beten, wer vom Hl. Geist bereits auf eine höhere Dimension des Daseins erhoben wurde. Mit ihm hat die griechisch-sprachige Gruppe der Urkirche in Jerusalem ihre Feuer-probe glanzvoll bestanden. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte, denn da war noch ein zweiter Protagonist: Ein junger, saufrecher Draufgänger namens Saul. Auch er aus einer griechisch-sprachigen Familie im Gebiet der heutigen Türkei. Hasserfüllt zog er mit einem Killerkommando sogar bis nach Syrien, um die Christen dort aufzustöbern und umbringen zu lassen.

Bis zu dem Augenblick kurz vor Damaskus, als Jesus einen Verkehrsunfall inszenierte. Blind am Boden liegend hört er eine Stimme: Saul, warum verfolgst du mich? Ich bin Jesus, den du verfolgst.

In diesem Augenblick, hat Jesus einen neuen Menschen geschaffen. Er wurde getauft und bekam einen neuen Namen: Paulus. Später konnte er einmal von sich sagen: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Diese Identifikation mit der Gottheit kann sich mit jeder Identifikationslehre der antiken Mysterien-Religionen messen. Was Paulus dann geleistet hat, ist phänomenal.

Gepredigt, Briefe geschrieben, wochenlange Fußmärsche gemacht, massenhaft Anfein-dungen widerstanden, mehrfach zusammengeschlagen und ausgepeitscht, alle erdenklichen Arten von Gefahren auf Seereisen überstanden.
Auch die Oberen von uns Missionsbenediktinern müssen eine Menge Reisen in Missionsländer auf sich nehmen, aber verglichen mit den Strapazen, die Paulus aushalten musste, sind das Luxusreisen.

In Stephanus und Paulus sehen wir den Anfang der Missionsgeschichte. Und die ist ein griechisch-sprachiges - ein hellenistisches - Phänomen. Der erste Schritt in die mediterrane Welt hinaus. Wären sie brav zuhause geblieben und hätten nur die Kirche vor Ort umgestalten wollen, dann wäre nichts Großes Neues zustande gekommen und das Christentum hätte sich nicht so rasant in den Mittelmeer-Raum ausgebreitet. Liebe Zuhörer, wir stehen heute wieder in einer signifikant ähnlichen Situation. Auch bei uns will und muss etwas Neues aufbrechen.

Aber die Chefetagen unserer Kirche heute
verhalten sich so persistent unbeweglich wie der Hohe Rat damals in Jerusalem. Die damals hielten ihre Thora, das Gesetz, für die intelligenteste Gesetzgebung der ganzen Welt, direkt von Gott eingegeben. Aber eine fremdsprachige, weltoffene Gruppe hat das alles hinter sich gelassen und im Hinausgehen in einen geographisch und geistig größeren Raum eine neue Weltreligion geschaffen.

Die heutige Lesung sagt uns, welche Qualifikationen dazu notwendig sind. Es braucht auch heute Stephanusse und Paulusse. Aber gibt’s diese Kombination über-haupt?
Oh ja! Schaut auf die Christen in China, in den ehemaligen Ostblock-Staaten, in Syrien und Irak, in Südamerika. Schaut auch auf die Missionsgesellschaften, die alle ihre Stephanusse und Paulusse in ihren Reihen haben.

Zusammenfassend muss ich sagen:
Diejenigen, die in der Kirchengeschichte die Kirche aus Krisensituationen heraus-geführt und gerettet haben,
waren nicht schwach-intellektuelle Besserwisser in der Etappe, sondern Verkünder und Lebens-Zeugen des Glaubens an der vordersten Front, Menschen wie Stephanus und Paulus, voll des Hl. Geistes.

Amen.

Von P. Placidus Berger OSB