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Main Post-Interview mit Richterin im Kirchenasyl Prozess

Ende April wurde Br. Abraham im Prozess um Kirchenasyl freigesprochen. Nun hat die Main Post ein Interview mit der Richterin über das Urteil geführt.

Straftat mit Entschuldigungsgrund. So lautete das Urteil von Richterin Patricia Finkenberger am Amtsgericht Kitzingen gegen Br. Abraham Sauer OSB. Der Vorwurf seitens der Staatsanwaltschaft: Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt. Der Entschuldigungsgrund lag nach Erachten der Richterin in den unantastbaren Grundrechten von Br. Abraham, in der Glaubens- und Gewissensfreiheit, wie sie im Interview mit Moritz Baumann in der Main Post am Dienstag erklärt.

Als Strafrichterin prüfe sie, ob eine Straftat begangen wurde und im zweiten Schritt, ob diese rechtswidrig ist. Notwehr nannte sie als Beispiel wie eine nicht-rechtswidrige Straftat. Die Schuld sei das dritte Kriterium, das beim jetzigen Urteil greife. "Beim Kirchenasyl besteht ein Konflikt zwischen der Straftat 'Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt' und der in der Verfassung verankerten Glaubens- und Gewissensfreiheit. Mit der Annahme eines Entschuldigungsgrundes habe ich dieses Grundrecht berücksichtigt", sagt Finkenberger am Dienstag in der Main Post.

Der Maßstab sei zwar die Straftat "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt", aber nicht der alleinige, erklärte die Richterin gegenüber der Main Post weiter: "Eine Norm darf nie isoliert betrachtet werden. Die Rechtsordnung muss immer in ihrer Gesamtheit angewendet werden." Dazu gehörten auch Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, die sich nicht nur aus dem Strafgesetzbuch ergeben, sondern oft aus anderen Gesetzen oder dem Grundgesetz, wie bei Br. Abraham. Weiter habe sie nicht gegen das Gesetz entschieden, sondern das Grundgesetz angewandt. Das käme zwar sehr selten vor, sei aber zulässig.

In Bezug auf den weitere Fortgang des Verfahrens, da die Staatsanwaltschaft Rechtmittel gegen das Urteil eingelegt habe, erläuterte Finkenberger gegenüber der Main Post, dass ihr Urteil eine Abwägung im Einzelfall gewesen sei: "Das ist juristische Hochseilartistik, die aber wohl auch der nächsten Instanz nicht erspart bleibt."

Bereits im Gericht und im später ausformulieren Urteil bezog sich die Richterin auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1971, in dem ein Mann nach einer schwierigen Hausgeburt die Krankenhausbehandlung seiner Ehefrau aus religiösen Gründen verweigerte. Die Frau starb. Er wurde wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt, die höchste Instanz am Bundesverfassungsgericht entschied dann aber, dass die Strafe die Glaubensfreiheit verletze. Obwohl es damals um Leben und Tod gegangen sei, habe das Gericht für die Glaubens- und Gewissensfreiheit entschieden, äußerte sich Finkenberger gegenüber der Main Post. Das unterstreiche die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die auch positives Tun ermögliche: "Im Ernstfall muss es dem Bürger erlaubt sein, zu handeln – wenn er ansonsten in ernste Gewissensnot geraten würde."

Hintergrund:

Am 27. April fand am Amtsgericht Kitzingen eine Verhandlung gegen Br. Abraham Sauer OSB statt, bei der er wegen der "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" angeklagt war. Nach dem Freispruch legte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ein, das Verfahren geht weiter. Relativ zeitgleich wurde Sr. Juliana Seelmann von den Oberzeller Franziskanerinnen mit dem gleichen Vorwurf angeklagt. Beim Prozess am Landgericht Würzburg am 2. Juni wurde sie zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Sr. Juliana selbst wollen Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Beide Urteile nicht rechtskräftig.

Die Ordensleute erhielten im Vorfeld breite Unterstützung vom Würzburger Flüchtlingsrat, dem Diözesanbeauftragten für Asylseelsorge, Robert Hübner, von ihren Gemeinschaften und auch von Bischof Franz Jung. Abt Michael erklärte in einer Stellungnahme vor dem Prozess von Sr. Juliana: " Es gehört zu unserem Grundauftrag als Benediktinermönche allen Menschen, wer immer es ist*, Gastfreundschaft zu gewähren. Das gilt ganz besonders, wenn Menschen in Not sind. In begründeten humanitären Härtefällen, unter Einhaltung der Absprachen mit den Behörden und eingehender Gewissensprüfung gewähren wir in der Abtei Münsterschwarzach in Einzelfällen Kirchenasyl als ultima ratio. Damit kritisieren wir nicht den Rechtsstaat; unser Gewissen will aber den Blick auf die extreme Notlage eines Menschen lenken, der der Hilfe bedarf. So verstehen wir auch das Handeln von Sr. Juliana und den Oberzeller Franziskanerinnen, die Frauen in besonderer Notlage Kirchenasyl gewähren und wir sind ganz solidarisch mit Ihrer Initiative."

Zum Interview in der Main Post