Alles erzählt?
Beeindruckender BuchBesuch mit P. Meinrad und musikalischer Begleitung im Atelier.
Mittwochabend, 19.30 Uhr. Die gewöhnliche Zeit für einen BuchBesuch. Doch dieses Mal war alles außer gewöhnlich. Allein der Ort: das Atelier von P. Meinrad Dufner. Die Besucherinnen und Besucher: sprengten den Rahmen. Es wurden Stühle geholt. Zu wenig. Auf die Treppe verteilt. Reihen weiter nach vorne gerückt. Schließlich sollten es etwa 60 Gäste sein, die sich in den Raum voller Bilder, Skulpturen und Kunstwerken drängten. Und dann der Einstieg von P. Meinrad: „Sie lasen meinen Namen und folgerten: Er hat ein Buch geschrieben – hat er aber nicht.“ Doch warum sollte es dann an diesem Abend gehen?
Nachdenkenswertes, Berührendes, Lustiges, Musikalisches. Gefühle, Gedanken, Gefundenes „Alles erzählt: zählt auf, zählt ab, gewichtet, gerichtet“, so P. Meinrad. Wie seine Kunst, so einzigartig seine Worte. Etwa, wie langsam schauen, langsam zuhören, langsam erzählen geht. Einen Ausschnitt sehen, indem man sich mit den Händen ein „Gucki“ macht. Unterschiedlich beleuchten. Durch dieses Wechselspiel entstünden neue Empfindungen, neue Sichtweisen, neues Wahrnehmen. Die Traumpförtner mit Br. Julian Glienke OSB (Geige), Reinhard Kraft (Violine), Bruno Waldherr (Kontrabass) und Thomas Reuter (Akkordeon) gaben mit ihrer mal schwungvoll anregenden, mal langsam gefühlvollen Musik Zeit zum Nachdenken zwischendurch. Körperlich schauen, nannte P. Meinrad das auch. Das Herz ganz der Musik ausgeliefert, wie beim Ballett, „so dass es beim letzten Schritt stehen bleibt – bis der Beifall den Atem wieder zulässt.“
Doch wie kommt der Künstlerpater eigentlich auf seine Ideen? „Ich probiere mit Papieren, Schnipseln, Fotos, Reststücken in Farbe oder Material, ich spiele wie ein Kind – und plötzlich schaut mich etwas an. Das hat Form oder ich schon ein Thema. Es ist eine Stimmung, ein Gefühl, eine Erinnerung. Das ist das richtige Wort. Eine Erinnerung. Das äußere Spiel hat etwas Inneres ans Licht gehoben.“ Das Äußere zeige nie die Ganze Wirklichkeit, das Innere bringe besonderes zum Vorschein. Wohin das innere Auge schaue, dahin ziehe es das ganze Wesen. Folglich könne es sein, dass der eine nur Dunkelheit, der andere mehr Licht sehe. „Denn wie und als was ich etwas anschaue, dazu wird es“, sagte P. Meinrad weiter. Erzählen sei subjektiv und ebenso das gegenseitige Zuhören.
Erzählung brauche außerdem Zulassung. Wenn „alles erzählt“ stimme, dann hieße das: „Mein Welt-Daseinsbewusstsein wird total gefärbt von meiner Welt-Daseinsbeziehung.“ Weiter führte es dazu das Zitat vom kleinen Prinzen an: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Abschließend zitierte P. Meinrad noch Rainer Maria Rilkes „Archaischer Torso Apollos“:
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du must dein Leben ändern.