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Neues Gold auf alten Kelchen

In der Klostergoldschmiede erhält Altes im wahrsten Sinne des Wortes neuen Glanz. So werden dort sakrale Gegenstände restauriert.

Ein unangenehmer Geruch, Bottiche mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten, Notfallnummern in einer Klarsichthülle an der Wand. Auf den ersten Blick wirkt die Galvanik der Klostergoldschmiede in Münsterschwarzach wie ein Chemielabor. Spülbad, Dekapierung, Spülbad – auch einzelne Beschriftungen an den großen Behältnissen verraten nicht sofort, dass hier der Ort ist, an dem vergoldet und versilbert wird. Und selbst bei der Aufschrift "Goldbad Aruna 556 Stromdichte bis 0,8 a/dm²" kommen beim Anblick der bräunlichen Flüssigkeit ganz andere Assoziationen.

"Eineinhalb Kilo Gold sind hier gelöst", erklärt Goldschmied Andreas Jurowski, während er einen Kelch an einer Elektrode befestigt. Zwei Teile. Eine Neuanfertigung. Kelche, Hostienschalen, Monstranzen, Kreuze – der Goldschmied hat aufgehört zu zählen, wie viele sakrale Gegenstände er in seinem Arbeitsleben schon angefertigt hat.

Da ist er nicht der einzige. Ein Stockwerk höher schraubt sein Kollege Michael Hornung gerade eine Monstranz auseinander. Sie ist zur Restauration in die Klosterwerkstatt gekommen. Die Oberfläche ist angelaufen, an einigen Stellen sogar schon das Gold wegpoliert. Eine neue Vergoldung muss drauf. Doch erst geht es ans Zerlegen. "Auseinander hat man sie schnell, zusammenbauen dauert dann aber meistens doppelt so lang", lacht Hornung, während er die große Schraube am Monstranzboden aufdreht. Gerade bei alten Sakralgegenständen eine Herausforderung. Oft seien ganz bestimmte, minimal gebogene Schrauben, an bestimmten Stellen. Trotz Fotos und Dokumentation beim Zerlegen wird das dann erst bemerkt, wenn es beim Zusammenbau hakt. "Kaputtgegangen ist uns dabei aber noch nie etwas. Es ist halt nur Fummelei", erzählt Hornung.

Immer eine Gratwanderung: Der Erhalt des geschichtlichen Gegenstandes und die Erneuerung von kaputten oder überholungsbedürftigen Einzelteilen. Da gelte es zu unterscheiden, ob die Monstranz oder der Kelch noch benutzt wird. Dann empfiehlt sich die Neuvergoldung. Bei einem Museumsgegenstand werde im Gegensatz dazu allerdings nur gereinigt. Nach ein paar Minuten liegt die Monstranz in fünf Einzelteilen vor Michael Hornung. Fertig zum Polieren. Nach dem Polieren werden die Rückstände der Polierpaste im Entfettungsbad entfernt.

Doch sofort ins Goldbad kommt sie nicht. Erst versenkt sie Andreas Jurowski im Reinigungsbad. Dort wird sie entlaugt, dann erneut im Spülbad gereinigt. In der Dekapierung, einer leichten Säure, wird die alkalische Lösung aus dem Laugenbad entfernt – sie würde sonst mit dem Silber- oder Goldbad reagieren. Dann muss die Monstranz noch ein letztes Mal ins Spülbad. Vorversilberung, Versilberung, Reinigung. Erst nach diesen Arbeitsschritten kommt die finale Goldschicht drauf.

Damit das Gold haften bleibt, wird Strom angelegt. Eine umweltfreundlichere Variante als die frühere Feuervergoldung, bei der mit Quecksilber gearbeitet wird. Die Vergoldung durch die Elektrolyse sorgt zudem für eine gleichmäßige Oberfläche. Auch die meisten eingearbeiteten Edelsteine sind kein Problem: „Durch sie fließt kein Strom und sie sind resistent gegenüber Chemikalien.“ Die meisten zumindest. Bei manchen käme es aber vor, dass sie reagieren und sich verfärben. Aber das erkenne man vorher.

Etwas anderes ist da schwieriger: Oft hat die Goldschmiede mit notdürftig reparierten Gegenständen zu kämpfen. "Da hat dann irgendwann einer mit Lötkolben und Zinn mal was angelötet. Meistens, um Geld für die Restaurierung zu sparen." Zinn und Silber – eine tödliche Kombination. Der Goldschmied spricht aus Erfahrung: "Die reagieren so miteinander, dass sich das richtig durch Metall fressen kann und Löcher entstehen." Und wenn dann das Teil neu angefertigt werden muss, kann die Restaurierung gut das Fünffache vom eigentlichen Preis kosten.

"Das tut mir dann immer persönlich weh. Zum einen, weil mir die Kunden dann Leid tun, zum anderen, weil bei den Sachen so gepfuscht wurde", meint Jurowski. Er hat Respekt vor der Geschichte und vor dem Einsatz des jeweiligen Gegenstandes – obwohl Monstranzen und Kelche zum Alltagsgeschäft gehören. Auch Bischofsstäbe und Brustkreuze haben die Goldschmiede in der Abtei in den vergangenen Jahren einige angefertigt. Trotz der Regelmäßigkeit keine Gewohnheit. Und eine Arbeit war dann etwas ganz Besonderes: die Reinigung des Schreins der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan, der im Würzburger Dom aufbewahrt wird.

"Wir haben das streng geheim gehalten, bis wir fertig waren", erinnert sich die Leiterin der Goldschmiede, Sabine Bechtel. Vier Tage Herzklopfen. Vor allem, als es darum ging, die Häupter der Heiligen aus dem Schrein zu nehmen. "Wir mussten gleichzeitig halten und die Schrauben unten lösen. Ich war sehr froh, als wir die Häupter sicher in Watte und Luftpolsterfolie verpackt hatten."

Mit Zahnbürsten und Wattestäbchen wurde der Schrein dann gereinigt. Bevor es für die Frankenapostel wieder nach Würzburg ging, feierte der Konvent gemeinsam mit dem Goldschmiede- Team eine Andacht. Und schon in den Tagen vorher war die Goldschmiede von den Mönchen noch höher frequentiert als sonst.

Als Goldschmied arbeitet keiner der Mönche selbst mehr. Aber als Künstler. Gemeinsam mit P. Meinrad Dufner OSB entstehen immer wieder Entwürfe für Auftragsarbeiten wie etwa Vortragekreuze. Dabei gibt es auch Unterstützung von der Metallwerkstatt, Schmiede und Schreinerei. Arbeitsteilung.

In der Abtei Münsterschwarzach gibt es über 20 (Handwerks-)Betriebe. Die Goldschmiede existiert seit Jahrezehnten. Der Beweis für hervorragende Arbeit: Die zahlreichen Auszeichnungen auf Landes- und Bundesebene für die Werke der Auszubildenden und Aufträge für Kunden wie den DFB. Die Produktpalette reicht vom Sakralgegenstand über Schmuck in individueller Anfertigung bis hin zu Restaurierungen.

Alles, was fertig ist, steht im Büro von Sabine Bechtel. Links an der Wand ein Tisch, darauf eine Vitrine mit neu angefertigten Kelchen. Eine Monstranz glänzt und schimmert, unnatürlich perfekt. Auf ihrem Sockel ist eine Jahreszahl eingraviert: 1720. Nach über 300 Jahren ist sie zum ersten Mal restauriert worden. Ein spezielles Reinigungstuch liegt eingepackt davor. "Für den Kunden. Eine Monstranz wird am besten nur mit dem Spezialtuch poliert, ein Kelch kann mit einem leicht feuchten Tuch gesäubert werden", erklärt Andreas Jurwoski. Ganz schlimm seien Reinigungsmittel, die sich in Ornamenten von gotischen oder barocken Gegenständen festsetzen. Nur mit speziellen Bürsten bekommt der Goldschmied die entfernt. Und auch sie reagieren mit dem Metall und sorgen für Flecken. Die richtige Pflege beugt nach seinen Worten aufwendigen Restaurierungen vor, eine saubere Vergoldung verlängert auch die Haltbarkeit.

Der neu angefertigte Kelch ist mittlerweile von einer feinen Goldschicht überzogen. Jurowski wäscht ihn ab, reibt ihn mit dem Silberputztuch nach und legt ihn auf die Fensterbank. Daneben: Eine Schraube in Kreuzform, graviert mit dem Frankenrechen und dem Wappen der Goldschmiede. Sie wird die beiden Kelchteile verbinden. Und wenn sie in 300 Jahren ebenfalls restaurierungsbedürftig ist, bringt sie diese Kennzeichnung vielleicht zurück an ihren Entstehungsort.