Zum Hauptinhalt springen

Predigten

Herzensgeschichten mit Gott

Predigt von P. Christoph Gerhard OSB am Herz-Jesu-Fest.

Liebe Schwestern und Brüder!

„Es war einmal“, so beginnt jedes gute Märchen. An diesem Anfang können wir erkennen, das nun eine besondere Geschichte folgt. Jeder weiß, dass diese Geschichten rein sachlich, historisch nicht stimmen, aber es wird über diese Märchen-Geschichten eine tiefere Wahrheit und Weisheit über unser Menschsein erzählt als es „absolute Fakten“ je könnten.

Die Märchen berühren damit eine Eigenart unseres wirklichen, realen Lebens : Geschichten erzählen von einer Tiefendimension unseres menschlichen Lebens, die an der Oberfläche nicht immer gleich zu erkennen ist. Am stärksten ist dies der Fall bei Beziehungs- und Liebesgeschichten. Das Wunderbare dieser Geschichten ist eben nicht auf der Sachebene zu erkennen, sondern liegt in den Tiefenschichten unserer Seelen verborgen. Es sind im wahrsten Sinn des Wortes Herzensgeschichten.

Auf dieser Linie liegt auch die Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wenn wir heute Jubiläen feiern, dann feiern wir solche Herzensgeschichten Gottes mit uns. Wir sind eingeladen, unsere Lebensgeschichten durch den liebenden und erbarmenden Blick Gottes anzuschauen. Und an dieser Stelle ist es gleich, ob wir 25.765 Tage Profess haben und damit unser 70-jähriges Professjubiläum feiern oder ob es irgendeine andere krumme oder schön gerade Zahl ist. Jede und jeder von uns feiert heute in diesem Sinne Jubiläum, und wir alle sind damit Jubilare.Jede und jeder darf heute (wie an jedem Tag seines Lebens) die liebende Perspektive Gottes auf sein Leben mit uns Jubilaren einnehmen.

Die Geschichten, die wir (Jubilarinnen und Jubilare) uns heute erzählen können, sind vielleicht tiefe Liebesgeschichten voller Hingabe und Selbstlosigkeit. Sie handeln davon, wie wir den liebenden Anruf Gottes in unseren Herzen gehört und verspürt haben und ihm gefolgt sind. Es können aber auch Passagen in unserer (Jubiläums-)Geschichte enthalten sein, die weniger glorreich sind: Zeiten von Abstand nehmen, die eigenen Irrwege, Abwesenheit. Vielleicht gibt es Zeiten der tiefen Enttäuschung, der Kälte, der Resignation und der Untreue.

Uns Jubilare hier in der Abtei verbindet die gemeinsame Profess, wir leben in dieser Gemeinschaft unseren Weg miteinander. Entscheidend war für den heutigen Tag, dass wir aus dieser Verbindung mit Gott und den Brüdern bei allen Problemen und Scheitern des Alltags, die wir nur zu gut auch voneinander kennen, nicht hinausgegangen, sondern unseren Weg miteinander weiter gegangen sind.

Dankbar können wir mit unserer eigenen Liebesgeschichte den Blick auf Gott richten. Denn er ist ja auch unsere Wege dort mit gegangen, wo sie mehr krumm als gerade waren. „Umwege erweitern die Ortskenntnis“ sagt der Volksmund – übertragen auf den Lebensweg meint das: Umwege des Lebens erweitern die Kenntnis von der Barmherzigkeit Gottes. Es ist das Erstaunliche des Lebens schlechthin, wie wir Menschen gerade durch Krisen wachsen können und neuen Stand und Halt finden. Wie nicht nur das Gelingen, sondern auch das Scheitern im Leben uns wachsen lässt – auch durch Fehler hin durch.

Ein Schlüssel für die Verwandlung der weniger schönen und angenehmen Seiten unseres Lebens ist Barmherzigkeit. Zu allererst ist das eine erfahrene Barmherzigkeit, wie sie uns im Herzen Jesu von Gott her entgegen kommt. Sie ist die Quelle, aus der wir selbst  Kraft schöpfen können. Sie ist das Lernfeld, wie wir mit uns selbst und mit anderen Menschen barmherzig umgehen können. So kann auch Gemeinschaft unter uns Menschen wachsen, die das Schwere des Alltags miteinander erträgt und erträglich macht – und die schönen Seiten des Lebens miteinander genießen kann.

Die schönen Seiten des Lebens sind Feste, Tage an denen es uns gut geht. Die vielleicht schönsten Momente des Lebens sind diejenigen, wo wir eine Ahnung bekommen von der Größe und Weite Gottes und des Lebens, das er uns zugedacht hat. Wenn wir einen Blick in Gottes liebende und lichtvolle Zeitlosigkeit getan haben und erahnen welches Geschenk das Leben ist. Dass ich nicht isoliert vor Gott bin, sondern in der Gemeinschaft mit allen Menschen, ja in der Verbindung mit seiner ganzen Schöpfung, die er uns seit Urbeginn geschenkt hat. Dreh- und Angelpunkt für uns Christen ist dabei Jesus Christus selbst und sein Herz die heilende Quelle, die uns allen offen steht. Uns steht sie offen, einfach hingehen und aus der Quelle des Lebens schöpfen!

Abschließend möchte ich noch den Blickwinkel des Epheserbriefes hinzu nehmen. Es ist die weite und große Perspektive Gottes, als dem Schöpfer des Alls, also eine kosmische Perspektive! Der Verfasser des Epheserbriefes schreibt es heute an uns:

Gott gebe euch
aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit,
dass ihr in Bezug auf den inneren Menschen
        durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt.

Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen,
in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet.

So sollt ihr mit allen Heiligen dazu fähig sein,
die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen
und die Liebe Christi zu erkennen,
die alle Erkenntnis übersteigt.

So werdet ihr erfüllt werden
in die ganze Fülle Gottes hinein.

Amen.