Skip to main content

Predigten

"Ich möchte eins sein mit DIR."

Predigt von P. Fidelis Ruppert OSB zum Professjubiläum am 21. Juni 2020.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder, vor allem liebe Mit-Jubilare!

"Kaum zu glauben, was man in 60 Klosterjahren alles erleben kann!", so lautet der Titel der Lebenserinnerungen von Bruder Simeon Rummel, einem unserer profilierten Afrika-Missionare. Ja, "kaum zu glauben", was man in 60 Jahren so alles erleben kann – nicht nur im Kloster; das geht Ihnen wohl genauso. Die meisten, die ich hier sehe, haben schon 4 oder 6 oder 8 Jahrzehnte hinter sich. Da hat sich eine Menge angesammelt, Höhen und Tiefen und auch manches Chaos. Und wir leben trotzdem noch. "Kaum zu glauben", wie wir das alles hinter uns gebracht haben.

Als ich kürzlich über meine 60 Jahre im Kloster nachgedacht habe und mir vieles neu bewusst wurde, habe ich spontan zu mir gesagt: "Wenn ich das alles vor der Profess gewusst hätte, hätte ich keine Profess gemacht. Das hätte ich mir nicht zugetraut." Dann bin ich über diesen Gedanken erschrocken. Denn ich bin ja geblieben! Habe ich es denn bereut, dass ich mich drauf eingelassen habe? Sicher nicht!

Zum Glück weiß man in der Jugend nicht, was noch alles kommt. Und mit Anfang 20 muss man ja noch nicht fähig sein, das zu bewältigen, was mit 50 auf einen zukommt; bis dahin kann man noch einiges dazulernen.

Es fiel mir noch was Anderes ein: Am Tag vor meiner Profess hatte ich in meinem Tagebuch notiert, dass es wohl oft anders kommt, als mir lieb ist, dass ich aber trotzdem – darauf jetzt schon – Profess mache. Das war vielleicht etwas naiv, aber es war mein Glück. Bald schon kam der Test. Noch während meines Studiums sagte Abt Bonifaz, dass ich auf keinen Fall in die Mission geschickt werde, sondern hier bleibe. Für mich war immer klar, dass ich Missionar werde. Ich wollte das unbedingt! Jetzt diese Absage, es war ein Schock. Ich hatte kräftig zu kauen.

Da fiel mir jener Eintrag ins Tagebuch wieder ein; eigentlich hatte ich schon damals bei der Profess indirekt zu so einem Schlag ja gesagt. So wie auch bei einer Hochzeit versprochen wird, in guten und bösen Tagen die Treue zu halten.

An ähnlich schwierigen und unerwarteten Herausforderungen hat es auch in späteren Jahren wirklich nicht gefehlt. Oft kamen sie Schlag auf Schlag. Und immer wieder musste ich mir sagen, dass ich damals bei der Profess schon ja gesagt habe. Es gab kein Kneifen, kein Ausweichen. Und das war gut so.

Karl Rahner schrieb einmal, wenn jemand im geistlichen Beruf in eine Krise gerät, frägt man sich heutzutage, ob vielleicht die Entscheidung falsch war und revidiert werden müsse. Früher hätte man gesagt, das sei eine Versuchung, die man bestehen muss, eine Herausforderung an der man wachsen soll.

Und dann gelingen oft Dinge, die wir uns selber freiwillig nie zugetraut hätten. Vielleicht sind die wichtigsten Erfahrungen im Leben jene, die wir nicht gesucht, sondern in die wir hineingeworfen wurden und dann – unfreiwillig – viel gelernt haben.

Woher kam die Kraft dazu? In solchen Situationen hat mir der Apostel Paulus geholfen. Im 2. Korintherbrief kommt er mindestens dreimal auf die extremen Situationen zu sprechen, denen er immer wieder ausgesetzt ist, und wie er gerade darin tiefe Glaubenserfahrungen machen darf. Es heißt da z.B.:

"Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum;
wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht;…
wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.“ (2Kor 4,7-16)

"Wir sind wie Sterbende und siehe, wir leben….uns wird Leid zugefügt und doch sind wir jederzeit fröhlich…wir haben nichts und haben doch alles." (2Kor 6,9f)

„"er Herr sagte mir: Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet." (2Kor 12,9)

Es wird einem fast schwindelig bei dieser dramatischen Aufzählung, und dann immer wieder der Hinweis auf die Kraft, die von Gott her zufließt. Diese Texte habe ich in schwierigen Situationen immer wieder meditiert. Sie haben keine Lösung aktueller Probleme angeboten, aber sie haben einen Raum des Gottvertrauens geöffnet, in dem ich anstehende Probleme getrost anpacken konnte.

Und so war im Laufe des Lebens ja auch allerhand Unerwartetes möglich, auf das man gern zurückschaut. Bei solch einer Rückschau sagte Paulus einmal: "Ich habe mehr gearbeitet und geleistet als alle anderen", dann erschrickt er über sich selber und korrigiert sich: "nein, nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir." (1Kor 15,10)

Die Gnade Gottes zusammen mit mir. Gott und Mensch im Zusammenspiel; darum geht es. Wenn dieses Zusammenspiel immer mehr gelingt, dann wird – wie bei Paulus – viel Unerwartetes möglich… Auch im Zusammenspiel untereinander, so wie unter Brüdern hier bei uns in der Gemeinschaft – ein Zusammenspiel, bei dem so viel möglich war, worüber wir mit Freude endlos erzählen könnten.

Dieses Zusammenspiel meint aber noch mehr: Im armenischen Ritus der Mönchsprofess sagt der neue Mönch: "Ich will eins sein mit DIR." Es geht um eine Liebesgeschichte. Benedikt sagt: "Der Liebe zu Christus nichts vorziehen." Das ist der Kern unsrer Profess.

Also eine Liebesgeschichte, die im Laufe des Lebens immer mehr wachsen darf, bis wir einmal beim Überschreiten der Grenze ganz drüben sind, wirklich vereint mit IHM. Und da wir Jubilare – und auch viele Andere hier – schon ziemlich alt sind, ist dieser große Übergang gar nicht mehr so weit weg.

Nach aktuellem Sprachgebrauch gehören wir zur Hochrisikogruppe, ein eher bedrohliches Wort. Wir könnten auch sagen, wir gehören zur Hochprivilegiertengruppe; wir haben das besondere Privileg, dass wir schon ganz nahe an dem sind, wohin wir ein Leben lang sehnsüchtig unterwegs sind; nicht nur wir Mönche, sondern wir alle als Christen.

Ich möchte das noch an einem Symbol erläutern. Der bewegendste Augenblick bei unserer Profess ist das Singen des Suscipe mit erhobenen Händen: "Nimm mich auf, o Herr.." In der Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt wird erzählt: als er zum Sterben kam, hätten ihn die Brüder auf seinen Wunsch hin nochmals aufgerichtet, dann heißt es: "So stand er da, die Hände zum Himmel erhoben, und hauchte unter Worten des Gebetes seinen Geist aus."

Wenn wir Jubilare nachher die Hände erheben, können wir an unsere erste Profess denken, oder auch an den heiligen Benedikt, der mit dieser Haltung seine endgültige Heimkehr ausgedrückt hat:

Nimm mich auf…..Ich will eins sein mit DIR.
Ein eindrucksvolles Zeichen von Heimkehr –
für jeden und jede von uns.
Es kann ja noch länger dauern, bis es so weit ist,
aber der Weg dorthin bietet die Chance,
immer mehr eins zu werden mit IHM
in kleinen Schritten – Tag für Tag.

Amen