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Predigten

In der Versöhnung Gott finden

Predigt von P. Christoph Gerhard OSB am Sonntag der 24. Woche im Jahreskreis

 Liebe Schwestern und Brüder!

Ein Freund erzählte mir von seiner Erfahrung mit dem Evangelium vom Verlorenen Sohn letzten Sonntag in einer Justizvollzugsanstalt. Er war bei einem befreundeten Seelsorger zum Gottesdienst in der Kapelle des Gefängnisses beim Sonntagsgottesdienst zu Gast, als dieser das heutige Evangelium erzählte. In tiefer Betroffenheit schilderte er mir die Aufmerksamkeit der Häftlinge im Gottesdienst. Er sagte mir: "Da waren welche dabei, die bekamen immer größere Ohren, ja viel mehr, die waren ganz Ohr. Je länger die Geschichte ging merkte ich, wie sehr es ihre eigene Geschichte war und wie sehr sie davon innerlich aufgewühlt wurden."

Und diese "ganz schweren Jungs" wie sie umgangssprachlich genannt werden, die wirklich schwerste Verbrechen begangen haben mussten, um in dieser Vollzugsanstalt zu landen, die hatten Tränen in den Augen am Ende der Erzählung.

Aber das war nur der erste Schritt. Denn dann folgte die Eucharistiefeier. Zum zweiten Mal wurde aber nun mein Freund tief erschüttert, als er mit den Gefangenen den Leib Christi auf der offenen Hand hielt und mit ihnen am Tisch Jesu als Gast saß. Er feierte mit ihnen das Mahl der Versöhnung – mit Menschen, mit denen er in seinem alltäglichen Leben sicher nichts zu tun haben wollte und wahrscheinlich auch keiner von uns tun haben möchte. Das Evangelium wurde konkrete Lebensrealität: "Wir müssen uns freuen und Festmahl halten, denn dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden."

Paulus hat diese Zuwendung Gottes zutiefst für sich selbst erfahren, denn er hat ihm eine ungemein wertvolle Aufgabe übertragen: das Evangelium zu verkünden. Diese Wertschätzung veranlassten ihn dazu einen der zentralen Sätze über Gott und seine Barmherzigkeit, die in Jesus Christus für uns sichtbar und erfahrbar geworden ist, im Brief an seinen Schüler Timotheus zu schreiben:

"Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten."

In seiner unnachahmlich–demütigen Art fährt er dann fort "Von ihnen bin ich der Erste." Bei Paulus kommt immer wieder in seinen Briefen seine Begeisterung, seine Freude zum Ausdruck, wie sehr er sich als unverdient angenommen erfährt von Gott. Er, der vieles, wenn nicht zunächst alles falsch gemacht, - er wird angenommen von Jesus Christus durch den Glauben und in seiner Nachfolge.

Es ist das Kernstück der frohen Botschaft, die Paulus immer wieder neu gewendet an seine Gemeinden und damit auch an uns schreibt: Gott nimmt uns an als seine geliebten Kinder an, trotz aller Fehler, die wir begehen. Er gibt einem jeden von uns unsere Würde als ein Kind Gottes zurück. Alles, was wir dazu tun müssen ist, zurück kehren zu ihm, unseren Schöpfer.

Jeder von uns trägt die beiden Söhne in sich, sowohl den verlorenen, als auch den zu Hause gebliebenen Sohn. Ich kenne beide Seiten nur zu gut von mir selbst, dass ich mir meiner eigenen Schuld und meinem Versagen sehr wohl bewusst bin und damit einen Umgang suche. Andererseits kenne ich auch die andere Seite nur zu gut: die Fehler an meinem Mitmenschen, an den Menschen meiner Umgebung werden mir viel schneller bewusst und ich fühle mich von ihnen, von der Welt und von Gott her ungerecht behandelt.

Einerseits bin ich mir meiner eigenen Fehler bewusst und kenne meine eigenen Anteile an Schuld und Sünde – andererseits sehe ich sehr genau, was andere falsch machen und will Recht haben und Recht behalten als der immerhin "bessere Sünder".

Wenn ich mir allerdings beider Seiten bewusstwerde, beides anerkenne, dann liegt darin nicht nur die große Chance tiefer Versöhnung mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und mit Gott. Es liegt darin auch die Möglichkeit die große Freude zu erfahren, die bei den Engeln ist – und damit ist kein geringerer gemeint als Gott selbst (!), über einen einzigen Sünder der umkehrt.

Liebe Schwestern und Brüder, wir halten jetzt auch miteinander Mahl. Jesus Christus ruft uns an seinen Altar, mit Menschen, die wir vielleicht lieber auf Abstand halten würden, wenn nicht Er, Jesus wäre. Durch ihn werden wir zu einer Gemeinschaft, die untrennbar verbunden ist. Wir müssen nur zu ihm kommen, das ist unsere ganze Umkehr, die nötig ist.

Ich wünsche uns von Herzen, dass wir heute ein wenig berührt und gerührt werden von der Freude, dass wir alle – egal wie viel Dreck wir am Stecken haben oder nicht, egal wie sehr wir Rechthaber sind, wie der zu Hause gebliebene Sohn im Evangelium – dass wir alle von Gott zum Festmahl geladen sind und er sich uns selbst schenkt und unsere Sünden vergibt, weil er unser Leben will.

Amen.