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Predigten

Jesus als Lebensbrot

Predigt von Br. Pascal Herold OSB am 20. Sonntag im Jahreskreis.

Zu den Elementarbedürfnissen des Menschen zählen seine Lebensaktivitäten, die Ruhe, die Bewegung, Essen und Trinken, die Körperpflege, der Bereich der Kommunikation, um nur einige dieser selbstverständlich fraglosen Bedürfnisse zu nennen. Das Sprichwort „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ hat lebensnahe Bedeutung; es ist uns einverleibt für uns gut sorgen zu können. Die Fülle an Lebensmitteln macht es uns heute leicht. Diese Fülle verdankt sich dem Urelement Korn. In ihm ist die Fülle bereits gegeben durch Gottes Wirken als Urenergie, wie es im Psalm 104,13 heisst: „Von der Frucht deiner Werke wird die Erde satt (…) damit der Mensch Brot gewinnt von der Erde (…) und Brot das Herz des Menschen stärkt“.

Der Schriftsteller und Dichter Matthias Claudius nennt das Brot „König aller Nahrungsmittel“ und hebt damit seine religiöse, kulturelle, soziale und existentielle Bedeutung hervor. Die Kirchenväter sehen im Brot nicht nur den Inbegriff des Lebens als Licht- und Energieträger im Korn, sondern darin auch die Arbeitsschritte, die das Korn durchläuft bis es zum gebackenen Brot werden kann: den Weg von der vollen Ähre, die geschnitten, als Korn ausgedroschen zerrieben und in feines Mehl gemahlen wird. Arbeitsschritte, die das Korn durch mechanische Arbeit stofflich verändern, was in früher Zeit mühevoll mit Schweiß, Staub und Kraftaufwand verbunden war.

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt bleibt es allein, wenn es aber stirbt bringt es reiche Frucht“, so Jesu überliefertes Wort. Ich ergänze mit den Worten von Matthias Claudius  „bringt es reiche, königliche Frucht“: die Frucht unserer Erlösung, die Frucht unserer Gotteskindschaft auf dem Weg stetiger innerer Erneuerung, wozu auch die Themenkreise von Anstrengung und Mühe des Lebens, Lasten tragen, Belastung, Schuld und Vergebung gehören.  Jesus spricht offen über seinen Leidensweg als letzten entscheidenden Reifevorgang, in dem er aufgerieben und zermahlen wird, aber nach der Auferstehung immer bei den Menschen sein wird, nicht als sich verflüchtigende Substanz, sondern als Lebensbrot. Als Auf- und Zerriebener ist er bester Proviantgeber in allen Lebenslagen.

Der Reifevorgang eines Korns, das in die Erde fällt und stirbt ist ein Bild für die permanente Wandlung und Verwandlung, vom Werden über das Reifen und Wieder-Vergehen, letztlich die Wandlung, die im übertragenen Sinne auf unsere Vollendung zielt. Wie oft ändern und verwandeln sich unsere Lebensumstände, werden zerrieben in den Mühlrädern des Alltags, fühlen uns hilflos, klein, wertlos, aufgerieben um uns von neuem auf künftigen Wegstationen mahlen zu lassen. Es sind mühsame Prozesse in der tiefsinnig geistlichen Bedeutung des menschgewordenen Gottes im Leben von uns Menschen. Was belastend und zersetzend uns anhaftet, was uns unfrei macht, soll zerrieben werden damit die königliche Bedeutung unseres Herzens zum Vorschein kommt, der Lichtschein eines durchlässig gewordenen Herzens. Daraufhin zielt unsere Vollendung als Reinigungs-und Reifungsprozess in eine größere und umfassendere Wirklichkeit.

„Darum wird das Mahl und die Mahlgemeinschaft“ nach dem Jesuiten und Theologen Karl Rahner „zum bevorzugten Symbol, zum realen Vollzug einer vertrauten und liebenden Einheit all derer, die miteinander essen, weil“, so Rahner, „sich die Menschen gegenseitig zulassen zum gemeinsamen Grund ihres Daseins, nämlich der leiblichen Nahrung, weil sie sich einander mitteilen, indem sie Nahrung und Gemeinschaft teilen. So wird dann das Mahl zum Zeichen der letzten, vollendeten Einheit, indem alle die Speise, die mit Gott und untereinander eint, von dem einem Brot essen und den einen Kelch trinken, der der Herr selber ist“, so Rahner.

An den zurückliegenden drei Sonntagen hörten wir Abschnitte aus der Brotrede des Johannesevangeliums, beginnend mit der Brotvermehrung. „Was sind schon fünf Gerstenbrote und zwei Fische?“, war die kritische Bemerkung des Jüngers Andreas als Ouvertüre zur Entfaltung der Brotsymbolik zu den folgenden Evangelien, die in das zentrale heutige Wort Jesu mündet: „Ich bin das lebendige Brot!“ Jesus geht damit auf das Elementarbedürfnis der Menschen ein essen und sich sättigen zu können, wie die große Menschenmenge, die mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen zu versorgen war. Zunächst es eine Frage der Organisation, des Teilens, es geht aber um weitaus mehr!

Wenn wir Menschen uns einander zulassen zum Grund unseres Daseins hat das dreifache Bedeutung:

  • zur leiblichen Nahrungs- und Energieaufnahme,
  • als Mitteilungsgemeinschaft,
  • und einer in Gott gegründeten Einheit unter uns Menschen.

Daher ist es wichtig alle an den Tisch zu rufen und daraus eine Mitteilungsgemeinschaft zu formen. Eine Tischgemeinschaft kann nicht unverbindlich bleiben, sie lebt von den wechselseitigen Beziehungen. Am Tisch kommen wir miteinander über alles Mögliche ins Gespräch. Es geht nicht nur um Essen und Trinken, sondern auch um einen umfassenderen Sinn, um Kontakt, Nähe und Gemeinschaft.

Jesus nimmt diesen ursprünglichen Zusammenhang ernst; er lebt ihn selber, indem er immer wieder sich zum Essen mit den unterschiedlichsten Menschentypen wie die Zöllner Matthäus und Zachäus oder den Pharisäern an den Tisch setzt, Personen, die stellvertretend für eine permanente innere Erneuerung stehen. 

So ist es auch jetzt mit dieser Eucharistiefeier, wo er als Gastgeber am Tisch sitzt und spricht: „Esst und trinkt, mein Leib, mein Blut. Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut wirklich ein Trank.“

Ja wirklich - ich das Brot des Lebens für dein zeitüberschreitendes Leben!