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Predigten

Versuchung als Zeichen unserer Lebendigkeit

Predigt am 1. Fastensonntag, 14. Februar, von Pater Richard Maria Kuchenbuch OSB über Lukas 4,1-13 in der Abteikirche Münsterschwarzach

 Liebe Schwestern, liebe Brüder,

was fällt Ihnen alles zum Wort „Versuchung“ ein? ….

Sicher nicht nur Milka, die angeblich zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt!

Es gibt viele Versuchungen: Die Versuchung habgierig, zornig, neidisch, träge, maßlos zu sein. Zu viel zu essen oder zu trinken, zu viel zu arbeiten, zu reden, zu schlafen.

Es sind die gefühlsbetonten Gedanken und Leidenschaften, die die alten Mönche Dämonen nennen.

Nach der Internet-Enzyklopädie Wikipedia ist Versuchung der Anreiz zu einer Handlung, die reizvoll erscheint, jedoch unzweckmäßig ist, einer sozialen Norm widerspricht oder gar verboten ist. Etwas lockt uns, zieht uns, aber auf den zweiten Blick ist etwas faul dabei. Es widerspricht dem, was wir eigentlich wollen.

Die Bibel ist seit Adam und Eva gefüllt mit Versuchungsgeschichten: König David, der Bathseba, die Frau eines anderen, verführt; das Volk Israel wird in der Wüste zum Murren versucht; Hiob wird versucht, sich wegen dem Leid von Gott abzuwenden.

Der erste Petrusbrief sieht hinter der Versuchung den Teufel selbst (1 Petr 5,8). Er will uns Anreiz zu einer Sünde geben, die von Gott trennt.

Das wird ganz konkret im heutigen Evangelium von der Versuchung Jesu. Schon der Ort ist aufschlussreich: die Wüste. In Wüstenzeiten, wo uns das Leben fad und ausgetrocknet erscheint, sind wir anfälliger für die Versuchung. Hier setzen die Verführungskünste ein, sich abzulenken, vorschnell etwas ändern zu wollen oder empfänglich zu sein für schmeichelhafte Worte und verworrene Angebote. Genau das versucht der Teufel mit Jesus:

Schon das „WENN du der Sohn Gottes bist“ – das provozierende, Zweifel säende darin will verunsichern, eine vergiftende Unklarheit heraufbeschwören.

„dann befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden“ oder „so stürz dich den Abgrund hinab“

Hier verschwimmen Mögliches und Unmögliches: ob man es versuchen soll, tollkühn etwas Außergewöhnliches zu wagen? Hier lockt die Selbstüberschätzung, die Ruhmsucht, ein Superstar, ein Übermensch zu sein, das Verlangen nach dem Ungewöhnlichen, dem Staunenerregenden.

Jesus aber ist wachsam für die Realität und seine Antworten sind vollkommen frei und lauter. An seiner inneren Freiheit perlt die Versuchung ab. Auch die Verlockung von Reichtum und Herrschermacht hindern ihn nicht, an seiner Treue zu Gottes Wort festzuhalten. Er weiß tief im Herzen, was er will.

Wie aber können wir unsere Versuchungen erkennen? Schokolade, auch die von Milka, ist ja an sich noch keine Sünde.

Im Wort Versuchung stecken „Versuch“ und das Verb „suchen“. Ein Versuch ist ein Experiment, etwas auszuprobieren, etwas zu versuchen. „Versuche zu leben“ heißt sogar ein Bildband über uns Mönche, weil unser Leben ein Versuch ist - wie das Leben eines jeden von Ihnen voller Versuche ist, dass es gelingen mag - mit allen Chancen und Risiken. Aber wann ist ein Versuch eine Versuchung?

Vielleicht hilft da das Wort „suchen“ weiter. Der Mensch ist ein Suchender, voller Sehnsucht und Wünsche, einer Unendlichkeit von Wünschen. Indem Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf, legte er in ihn den Keim zu einer unendlichen Sehnsucht, die durch nichts Endliches gestillt werden kann. Deshalb ist der Mensch immer auf der Suche! Daher kommt unsere innere Unruhe.

Die Versuchung ist also nicht einfach zu verdrängen oder gar abzutöten. Der italienische Schriftsteller Giovanni Guareschi meint „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt“.

Nein, es geht vielleicht mehr darum, sie als Zeichen unserer Lebendigkeit zu erkennen, aber dahinter zu sehen, was die eigentliche Sehnsucht ist und daran zu wachsen, indem man verantwortungsbewusst damit umgeht.

Vielleicht können Sie sich in der Situation einer vermeintlichen Versuchung fragen, ob Sie Gott da mit hinein holen können: „Jesus, ich habe diesen oder jenen Wunsch, geh mit mir da hinein und lass mich erkennen, was das richtige ist.“ Die Vaterunser-Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung“ meint in diesem Sinne: Lass mich nicht allein in der Versuchung, sondern erlöse mich von dem Bösen.

Das entspricht ganz dem Hebräerbrief, der im 2. Kapitel sagt „Jesus selbst wurde ja versucht, um uns helfen zu können“ (Hebr 2,18). 

Es könnte auch eine schöne Übung für die Fastenzeit sein, seine Versuchungen einfach einmal nur zu beobachten. Dem ersten Impuls nicht zu folgen, etwas nicht zu sagen, was gerade auf der Zunge liegt, oder etwas nicht zu tun. Versuchungen kommen und gehen auch wieder. Sie kennen sich und wissen selbst am besten, was für Sie zweckmäßig ist und was nicht. Wer sich einfach nur wahrnimmt, der hält sich schon aus, tut erstmal nichts und handelt damit nicht vorschnell. Dann kann er überlegt eine bessere Entscheidung treffen. Wahrnehmung ist schon ein Handlungsorgan, denn Wahrnehmung beeinflusst die Wirklichkeit. 

Schließen möchte ich mit einer Ermutigung aus dem 1. Korinterbrief, wo der Heilige Paulus schreibt: Wir dürfen vertrauen, dass Gott uns nicht überfordert in der Versuchung, sondern uns hilft und einen Ausweg schafft. (1 Kor 10,13). Ein Schritt weiter gedacht: Wer die Versuchung überwindet, wird daran wachsen, wird stärker und zuversichtlicher durchs Leben gehen. Und der darf sicher sein, Gott ist mit dabei.

Pater Richard Maria Kuchenbuch OSB