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Predigten

Was für ein Teil der Kirche bin ich?

Predigt von P. Christoph Gerhard OSB am Sonntag der 30. Woche im Jahreskreis.

Liebe Schwestern und Brüder!

Jesus erzählt im heutigen Evangelium Menschen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und andere deshalb verachteten, ein Gleichnis. Als Quintessenz sagt uns Jesus eine Lebensweisheit am Ende des heutigen Evangeliums, die ganz einfach ist: "Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden."

Im Extremfall ist diese Weisheit immer so ausgelegt worden, dass man sich selbst erniedrigen soll, um Gott zu gefallen. Aber so ist das von Jesus nicht gemeint gewesen.

Es geht ja um diejenigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind! Die empören sich im wahrsten Sinne des Wortes über andere. Sie sehen sich als etwas Besseres an, als andere Menschen. Sie erhöhen sich selbst. Das kann man auch wahrhaftig auch in einer falsch verstandenen Demut tun. Ich bin demütiger als andere und bin daher besser.

Was macht eigentlich der Zöllner hingegen richtig? Zu allererst vergleicht er sich nicht. Er sieht seine Fehler ein, bleibt hinten stehen, um nicht gesehen zu werden. Fast hat es den Anschein, dass er noch nicht einmal von Gott richtig gesehen werden möchte und er bittet Gott einfach um sein Erbarmen. 

Es ist im Grunde doch gar nicht so falsch, was der Pharisäer tut: er fastet zweimal die Woche, gibt den zehnten Teil seines ganzen Einkommens und ist Gott dankbar. Einziges, großes Problem: er fühlt sich dabei besser – als die Räuber oder wie dieser Zöllner da – und ist Gott auch noch dankbar dafür!

Aber, wie ist das mit der Demut im Alltag? Wie geht das, das "sich selbst erhöhen" zu vermeiden und das „sich selbst erniedrigen“ in rechter Weise? Wie kann ich zu meiner Größe finden und zu ihr stehen, und mich nicht größer, aber auch nicht kleiner machen, wie ich bin?

Unsere Kirche hat in den letzten Jahren einen massiven Ansehensverlust in der Öffentlichkeit erfahren. Finanzskandale, der Umgang mit Sexuellen Missbrauch in der Kirche und wie Macht in der Kirche ausgeübt wird, gerade zwischen Männern und Frauen. All das hat die Außenwahrnehmung und das Ansehen der Kirche in unserer Gesellschaft auf einen Tiefpunkt gebracht. Wer möchte schon in dieser Institution arbeiten? Für sie stehen? Sie vertreten? Oder gar sein Leben für sie einsetzen?

War es nicht gerade die Katholische Kirche, die Jahrzehntelang vorgegeben hat besser als andere zu leben und nun kommt heraus, dass sie auch wie alle anderen menschlichen Gemeinschaften ist: voller Fehler, Vertuschungen und mit einer unerträglichen Doppel-Moral versehen wenn es um das eigene Ansehen geht?

Wenn wir das heutige Evangelium dazu befragen, heißt es doch dazu: Kirche muss zu ihrer wahren Gestalt in ihrer Größe und Kleinheit wieder zurückfinden. Vielleicht wird sie dann ärmer, weniger einflussreich, kleiner sein. Vielleicht wird sie weniger heilig und eher verbeult und nicht perfekt daher kommen.

Dafür kann sie aber sein, was sie ist: eine Gemeinschaft von Menschen, die Gott in seinen Dienst gerufen hat. Sie kann wieder so Menschen auf ihrem Lebensweg hilfreicher sein als sie es in der Vergangenheit war.

An dieser Stelle kommen jetzt vielen von uns vielleicht neue und auch an alte Bilder von Kirche. Entscheidend sehe ich dabei den Beitrag jedes einzelnen Christen dazu, denn ein jeder von uns ist Teil der Kirche. Auch ich bin Kirche. Diejenigen, die sich in Caritas, Feuerwehr, Rettungsdiensten einsetzen um des Nächsten willen, leben das Evangelium und sind ein lebendiger Teil von Kirche – der im Übrigen derzeit sehr hoch in der Öffentlichkeit angesehen ist.

Freilich tragen Papst, Bischöfe, Hauptamtliche besondere Verantwortung. Aber es ist auch wichtig, dass ich mir klar werde: was für ein Teil der Kirche bin ich? Oder was für ein Teil will ich noch werden, weil ich es derzeit nicht bin? Weil ich nah am Resignieren bin über so viel Ungestalt der Kirche, oder weil ich regelrecht aus dieser Kirche herausgetrieben worden bin?

Der Zöllner im heutigen Evangelium könnte uns da ein Vorbild sein: denn er weiß sich radikal auf Gott angewiesen. Er hat erfahren, dass er es nicht selber machen kann, dass da zu viel an Versagen, an Unvermögen bei ihm vorhanden ist. Gerade als Kirche und als Mitglieder dieser Kirche sind wir auf Gottes Geist und Kraft angewiesen und können es nicht nur aus eigener Kraft schaffen. Es braucht die Bitte um die Gnade Gottes und nur mit seiner Kraft kann es auch gelingen, dass jeder von uns einzeln aber auch wir als Gemeinschaft, als Kirche unsere neue Gestalt finden.

Ich wünsche uns, dass wir Kirche nicht als überkommenes Vehikel erfahren, bei dem es Zeit wird auszusteigen, sondern viel mehr als eine lebendige Gemeinschaft von Gott mit uns Menschen, die einander dient und so zum Leben verhilft.