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Muschelkalk, Sandstein und ganz viel Seelenarbeit

Ein Besuch beim benediktinischen Kurs „Steinbildhauen“ mit Pater Zacharias Heyes

Man hört sie schon, bevor man sie sieht: Klirrendes Klopfen, Metall klingt auf Stein, ein schneller Rhythmus zwischen zwitschernden Vögeln. Dann kommen die großen Sonnensegel in Sicht, unweit der Sommerblumenwiese von Bruder Thaddäus. 17 Menschen stehen dort in staubiger Arbeitskleidung an ihren Holzgestellen und bearbeiten massive Steinblöcke aus Muschelkalk und Sandstein.

Seit sie am Samstag ihren Arbeitsplatz eingerichtet haben, arbeiten die Frauen und Männer des Gästehaus-Kurses „Freies Steinbildhauen und benediktinsch leben“ täglich unter freiem Himmel. „Der Kurs lehnt sich bewusst an das benediktinische Ora et labora, also die Verbindung von Handwerk und Gebet, an“, berichtet Kursleiter Pater Zacharias Heyes. Neben dem Wechsel von Handarbeit und Schöpferisch-Sein mit Zeiten der Stille, des Gebets und des Austausches geht es dem Benediktinerpater, der selbst gerne an Holz und Stein arbeitet, um den intensiven Dialog mit dem Stein. „Das beginnt bereits bei der Auswahl des Blocks“, sagt er: „Keine Pläne machen, sondern: Wo will der Stein hin? Was will sich zeigen?“ Dieses Einlassen auf das Unbekannte und Überraschende sei manchmal nicht einfach, biete aber die Chance auf „ganz viel Seelenarbeit“.

Angelika weiß, was Pater Zacharias meint. Sie hatte bei der Auswahl ihres Steins noch eine feste Vorstellung. Doch dann hat sie gespürt: „Das ist es nicht. Ich will keine Fleißarbeit machen, sondern das Spiel mit dem Stein: Wo gehe ich rein, wo glätte ich das Material, wo darf es bleiben, wie es ist?“ Deshalb folgt sie jetzt einfach den Formen des Brockens vor ihr. „Ich will gucken, was da drin steckt, schaue, was sich ergibt, und lasse es fließen“, sagt sie und schlägt wieder ein Stückchen tiefer in das Innere des Muschelkalkbrockens hinein.

Nebenan meißelt Teresa an einem hoch aufragenden Steins, der fest steht und dabei doch in Bewegung ist. Seit Tagen begleiten sie die abstrakten Engel von Paul Klee – und wer genauer hinsieht, entdeckt erste Anlagen einer solche Figur auch in Teresas Arbeit. Bei Christine ist von ganz allein eine „perfekte Welle“ entstanden. Mit dem Schleifstein glättet sie akribisch die Oberfläche des roten Sandsteins. Immer wieder streicht sie liebevoll darüber, bis ihre Fingerspitzen an einer rauen Kante hängenbleiben – „nämlich genau da, wo sich die Welle bricht“.

Ein paar Tische weiter arbeitet Bettina zärtlich an einem Auge. „Plötzlich hat mich da ein Löwe angeschaut“, sagt sie erstaunt und hilft dem König des Tierreichs weiter heraus aus dem Stein, legt seine Ruhe und Kraft, seinen Überblick und seine Souveränität frei. Die Pädagogin aus der Schweiz musste in diesem Jahr bereits einige schwierige Elterngespräche führen; in der Vorbereitung darauf habe ihr das Bild des Löwen geholfen, „bei mir zu bleiben, um meinen Platz zu wissen und Fremdprojektionen abprallen zu lassen“. Auch jetzt – bei der Arbeit am Stein – stärke sie das Suchen und Finden am Löwen. Trotz mancher Verlockung wird sie den Mähnenkopf aber nicht ganz freilegen, sondern rechtzeitig aufhören. Wann es soweit ist? „Wenn es sich stimmig anfühlt!“

Dann ertönt völlig unerwartet ein Gong. Augenblicklich lassen alle ihr Werkzeug sinken, Gespräche verstummen, die Steinbildhauer senken den Kopf und schauen in sich. Beim zweiten Gongschlag nehmen alle ihre Arbeit wieder auf – neu gestärkt, in sich ruhend und im Wissen um die eigene Präsenz und die Gegenwart eines Größeren.

Neben erfahrenen Steinbildhauern sind auch sechs Neueinsteigende dabei; fünf von ihnen werden von „Paten“ begleitet. Eine der „Neuen“ ist Birgit, die gerade behutsam Material abträgt, damit der Stein nicht unvorhergesehen splittert. „Mir fällt das wirklich schwer. Ich bin ein ungeduldiger Mensch, bei mir muss alles schnell gehen“, gesteht sie. Dass sie sich jetzt „in Geduld üben“ muss, tue ihr gut. „Ich werde entspannter, weiß gar nicht, wie viel Zeit vergeht.“ Ihr Pate Peter schmunzelt leise über Birgits Worte; obwohl er meist eine Idee im Kopf habe, sei das Ergebnis im Grunde egal: „Irgendetwas kommt immer raus. Was kommt, kommt. Kein Druck!“ Für ihn ist der Kurs „eine tolle Möglichkeit, sehr schnell in Ruhe und Gelassenheit zu kommen“, sagt er und arbeitet sorgfältig weiter an seinem Frauenkopf.

Birgit muss das noch lernen. Schon bei der Steinauswahl hatte sie einen Plan, kam aber nicht voran. Der Stein war zu hart, hat sich gesträubt, bis Pater Zacharias ihr riet, „dem Stein ein Freundschaftsangebot zu machen“. Daraufhin hat sie an anderer Stelle neu angesetzt. „Der Stein wurde weicher – oder haue ich jetzt anders drauf?“ Und plötzlich schälen sich die Fenster einer Kathedrale aus dem Monolithen. Für sie ist „das hier das Schönste, was ich seit langem gemacht habe, und es ist spannend, was rauskommt.“

Anja Legge

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