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Predigten

Der Sturm des heiligen Geistes

Predigt von P. Placidus Berger OSB am 19. Sonntag im Jahreskreis.

Dieses Evangelium hat es in sich. Es scheint genau als Allegorie für unsere heutige Situation in der Kirche geschrieben zu sein und hat mir einen solchen Tritt in den Hintern versetzt, sodass ich beschlossen habe: Heute lasse ich alle traditionelle, fromme, gediegene und hochspirituelle (das heißt stink-langweilige) Bibelerklärung beiseite und vergleiche den Text frech und ungeniert mit den Zuständen in der heutigen Kirche hier in Deutschland. Wohlgemerkt nur hier. Denn in Ostasien z.B. haben wir deutlich andere Verhältnisse. Ich habe allerdings auf kollegialen Rat hin einen Absatz fallen lassen, weil ich damit in ein Wespennest getreten hätte.

Also, da ist von einem Schiff im Sturm die Rede. Dies ist ein uraltes Bild für die Kirche in dieser Welt. Aber zunächst schaut unser Text wo ganz anders hin. Da betet Jesus einsam auf einem Berg. Sofort kommt mir die Assoziation mit der ersten Lesung: Da betet der Prophet Elias auf einem Berg in einer Höhle und außerhalb ist die Hölle los. Aber in dem ganzen Tumult ist Gott nicht dabei. Gott meldet sich erst, wenn es außen ganz still wird wie bei einem leisen Säuseln. Das erinnert mich an ein Wort in den Psalmen, das wir häufig beten: Herr, warum schläfst du?

Ist das nicht ein Bild für die heutige Kirche hier? Und gleich schon hier ein Gedanke, der eigentlich erst am Schluss der Predigt kommen sollte: Dürfen wir den hoffnungsvollen Gedanken haben, dass auch bei uns eines Tages wieder ein Säuseln eintreten wird? Und wird Gott dann aus seinem Schweigen hervortreten wie der Prophet Elias aus der Höhle?

Aber zurück zum Schiff! Da ist die Rede von gefährlichen Wellen, die das Schiff hin und her werfen. Auch die Kirche wird von Wellen hin und hergeworfen. Und was diese Wellen sind, braucht man einem gestandenen Katholiken heute nicht mehr zu erklären, er kennt sie mittlerweile bis zum Erbrechen. Sie heißen entweder progressiv und konservativ, oder Synodaler Weg und Vatikan, und noch einiges andere. Vom Bereich der theologischen Wissenschaft wollen wir gleich gar nicht reden.

Petrus glaubte, er müsse dem Herrn - auf dem Wasser wandelnd - entgegen gehen. Wir haben genügend Kirchenfürsten, die ähnlich schlafwandeln. Wenn der Hl. Geist nicht eingreift, besteht die Gefahr, dass sie ertrinken.

Dann heißt es im Text: Es herrschte ein heftiger Wind. Das ist wie gegen die heutige Medien-Diktatur in Presse und Fernsehen geschrieben. Erst kürzlich hat eine offizielle Bundesbeauftragte, genauso wie ihr offizieller Vorgänger letztes Jahr gesagt, dass alle übrigen von der Katholischen Kirche lernen müssten, denn sie sei die einzige Institution, welche die Probleme offen anspreche und am besten für die Verbesserung sorge. Dennoch kennen viele Medienvertreter kein anderes Rezitativ als dauernd auf die Katholische Kirche einzudreschen. Einer plappert dem anderen unhinterfragt nach. Wenn sie so saudumm in einem akademischen Examen geantwortet hätten, wären sie glatt durchgefallen.

Aber da gibt es leider auch ein zuzügliches Gegenargument. Es heißt im Evangeliums­text: Die Jünger im Boot schrien vor Angst. Und unsere zimperlichen Figuren in den kirchlichen Chefetagen tun offenbar nichts, um den Etappenhengsten in ihren eigenen Pressestellen endlich einmal klar zu machen, dass sie eigentlich dazu da wären, um in der vordersten Frontlinie gegen den Tsunami von polemischen Verdrehungen in der Medienhetze zu kämpfen.
Man wird direkt an den Kanzelparagraphen von 1871 während des Kulturkampfes erinnert, allerdings mit dem Unterschied, dass damals der Maulkorb-Paragraph von oben - von der Regierung kam, diesmal aber kommt die Einschüchterung von der Seite, von der einseitigen Polemik der Medien und einzelnen Privatorganisationen.

Und dann heißt es weiter im Text: In der vierten Nachwache kam Jesus zu ihnen, er ging über das Wasser. Vierte Nachwache bedeutet kurz vor Mitternacht. Und jetzt die Frage, die ich nicht beantworten kann: Haben wir bereits Mitternacht?

Wird der nächste Morgen ein Morgengrauen im Sinne von „mir graut’s vor dir“ oder gibt es einen verheißungsvollen Sonnenaufgang? Noch ist kein Jesus sichtbar, der auf dem Wasser wandelt.

Heißt das vielleicht gar, dass wir selber besser schwimmen lernen müssen? Genügt es auf ein Säuseln des Allerhöchsten zu warten? Aber täuscht euch nicht! Wenn Gott aus seinem Schweigen hervortritt, dann heißen die Begleiterscheinungen häufig Blitz und Donner. Ich habe es erlebt am Ende des letzten Krieges. Ich habe mehrere Bomben- und Tieffliegerangriffe mitgemacht. Ich habe von Ebrach aus den Himmel in der Bombennacht blutrot über Würzburg gesehen. Viele haben damals gesagt, der Krieg war ein Strafgericht des Zornes Gottes. Aber als stoischer Philosoph muss ich sagen, der Allerhöchste kennt keinen Zorn und will nicht Rache üben. Dafür hat er am Beginn der Schöpfung die Naturgesetze geschaffen und die zeigten die logische Konsequenz aus dem Glaubensabfall und der daraus folgenden Perversion der politischen Moral eines großen Teils des dt. Volkes. Aber nach einer langen Bußzeit wurden uns die ewigen Gesetze wieder günstig.

Ich habe auch erlebt, dass nach dem Krieg die Kirche wie in einer Säusel-Periode Gottes aufatmen konnte. Was wir aber - nicht honoriert haben. Langsam aber sicher kam wieder ein galoppierender Glaubensabfall, den wir jetzt erleben.

Oder lernen vielleicht gar viele Gläubige ganz anders zu schwimmen, damit die Kirche nicht ertrinke? Dieser Gedanke ist ein Hoffnungsträger. Wir sehen neue hoffnungsvolle Initiativen. Noch sind sie leise säuselnd. Aber sie können eines Tages so verrückt werden, wie „Fridays for future“. Mich soll’s freuen. Und der Hl. Geist wird wie immer wehen wo er wird und uns alle anlachen und wie Jesus im Schiff fragen: Warum ward ihr so kleinmütig? Ich bin überzeugt: Wir sitzen am längeren Hebel.

Das heißt aber auch, wir müssen uns noch auf einen anderen Sturm  vorbereiten - nämlich den des Hl. Geistes. Dürfen wir vielleicht gar auf ein neues Pfingstwunder mit Sturm hoffen? Ich mit meinen 90 Jahren werde es nicht mehr erleben, aber ihr und eure Kinder und Enkel haben allen Grund zur Hoffnung. Ich werde von einer höheren Warte aus zuschauen und mich freuen, dass es immer wieder ein neues Ostern und ein neues Pfingsten gibt.

Aus dem Rest hat Gott schon öfters etwas Neues und Besseres entstehen lassen.

Amen