Skip to main content

Predigten

Spurensuche nach Gott

Predigt von Br. Pascal Herold OSB am 21. Sonntag im Jahreskreis

Manche Orte bleiben in besonderer Erinnerung haften, weil sie einem gut tun oder wir dort eine wichtige, vielleicht wegweisende Erfahrung machen konnten und uns hin und wieder an diesen Ort und die Situation in seiner Wirkung erinnern ohne diese Stätten wiederholt aufsuchen zu müssen.

Das Gebiet von Caesarea Philippi des heutigen Evangeliums könnte für Petrus einer dieser Erinnerungsorte gewesen und geworden sein, das im Gedächtnis haften blieb zu seiner Bekenntnisantwort und was Jesus darauf ihm vorausgesagt hatte.

Es ist eine eigenartige Offenbarung in der Reihe eigenartiger Ereignisse, die aufeinanderfolgen in der Gefolgschaft Jesu. Der Messias offenbart sich immer wieder vor den Jüngeraugen. Nach den Erzählungen aus dem Matthäusevangelium der zurückliegenden Sonntage wirkt er das Brotwunder mit der Speisung tausender Menschen, er erweist sich als Seenotretter bei Sturm, als Heiler der Tochter der heidnischen, kanaanäischen Frau.

Natürlich muss Jesus der Messias sein, keine Frage nach all dem Erlebten! „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Keiner aus dem Jüngerkreis als Petrus kann es treffender auf den Punkt bringen. Jesus spricht ihm ab, selber zu dieser Einsicht gekommen zu sein, nein diese Einsicht offenbart ihm der himmlische Vater, die Einsicht kommt nicht vom Jünger selbst.

Während Petrus Jesus als Messias bekennt, bezeichnet Jesus Simon mit Petrus, Fels oder Steinbrocken in der aramäischen und griechischen Wortbedeutung. Der eine Titel zeigt die hoheitliche Bedeutung absoluten Herrscherverständnisses auf, der andere greift auf eine Metapher aus der Natur zurück, anhand dieser das Fundament gelegt werden soll einer autorisierten Schlüsselgewalt über das Himmelreich.

Ausgerechnet in Caesarea Philippi, der heidnischen Stadt im äußersten Norden, an der Peripherie Israels führen beide einen Dialog, der viel später die Auswirkungen offenbart, fern vom politischen und religiösen Zentrum Israels, der Zionstadt Jerusalem, Caesarea Philippi, das von den Kirchenhistorikern als Ursprungsort des Papsttums betrachtet wird, weil Jesus diesem Petrus dort die Schlüsselposition unter den Jüngern anvertraut haben wollte. „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirchen bauen“.

Gab es keinen anderen Ort oder ergab sich der Dialog zufällig aus der Situation heraus? Was könnte hinter der Absicht Jesu stecken? Steckt überhaupt eine Absicht dahinter nicht im Zentrum Israels sondern fernab ohne jegliche Form ihn als Architekt der Kirche einzusetzen?

„Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“, so die Fragen aus der heutigen Lesung aus dem Römerbrief. Wer schafft es die Gedanken des Herrn zu ergründen, dass sie authentisch belegt werden könnten? Braucht Gott eine Erklärung abzugeben welches Bestreben in seinen Gedanken steckt?

Wir finden schwerlich die erfüllende Antwort bei der Spurensuche und den Anzeichen, die der unsichtbare Gott auch in unserem Leben hinterlässt, im gegebenen Fall an jedem Ort, in jedem Augenblick, oft konträr, unvermerkt und unerkannt und wieder anrührend und ergreifend, sodass der Mensch ihn durch Personen, in Worten, Zeichen und Situationen wahrnimmt und nicht ignorieren kann, ob ihm das angenehm oder gar lästig ist, ob in Betsaida, Kafarnaum, Tyrus und Sidon, Caesarea Philippi oder Jerusalem oder Kitzingen, Schwarzach, Volkach, Würzburg oder wo auch immer unsere Lebensspuren sich verorten lassen. „Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege auch mit mir!“

Der Weg des Petrus, „des Felsen Petrus“ ist so ein unerforschlicher Weg, ein allzu uns gut bekannt menschlicher Weg. Nach den Schilderungen der Evangelisten verhält er sich ambivalent, bald überzeugt von der Sache Jesu und kämpferisch, bald voller Angst, verräterisch und abweisend; er verkörpert nicht den Typ eines Felsen von Robustheit und Unerschütterlichkeit, wie wir ihn uns vorstellen. Er wirkt schwach und verzagt, auch nach der Auferstehung des Gesalbten, am See von Tiberias.  Vor Schreck springt Petrus in den See und gleich darauf beim Abschied des Herrn mit seiner überrascht gestellten Frage: „Was wird denn mit ihm?“

Gemeint ist hier der Lieblingsjünger Johannes. Petrus scheint bei der letzten irdischen Begegnung mit dem Messias das Herz in die Hosentasche zu rutschen, er werde in Zukunft allein in die Pflicht genommen und vielleicht hängen gelassen oder gar aus Überheblichkeit besser dazustehen zu wollen als dieser Johannes. „Wenn ich will, dass er bleibt, was geht das dich an? Du aber folge mir nach!“ entgegnet der Auferstandene. Und damit endet nahezu das Johannesevangelium.  

In der regional hier erscheinenden Zeitungsausgabe der Mainpost ist täglich ein Spruch zum Tage abgedruckt; vor kurzem war folgendes Wort der Schriftstellerin Hanna Berheide zu lesen:

„Das Leben verlangt von den Menschen sehr oft, dass sie Dinge wegstecken, für die sie gar keine Taschen haben“. Man kann diesen Spruch verschiedentlich betrachten und deuten. Im Kontext der heutigen Lesungen geht es um Lebens- und Glaubenserfahrungen, die sich nicht wegpacken und eintüten lassen, als wisse man sofort Bescheid, die etwas aussagen wollen für Weg, Richtung und Zielpunkt. Sie können schlichte Wegweiser oder sogar Stolpersteine sein, sensibler auf seine eigene Geschichte zu achten und nicht den Lockruf zu ignorieren, der immer wieder neu in der Luft liegt.

Ein anderer begegnet uns an unterschiedlichsten Orten und Situationen unserer Geschichte, ein anderer steht hinter uns, ein anderer begleitet uns, er führt und sorgt für uns jeweils zu seiner Zeit. Ein anderer…

„Er ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist.“ So sieht es der Mystiker Meister Eckehart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, jetzt hier und morgen schon wieder anders ohne sich rück zu versichern wie es denn vorgestern gelaufen ist. Dieses Urvertrauen in unser, in mein Jetzt ruht in der unergründlichen Weisheit Gottes, felsenfest und still lockend „Du aber, du aber folge mir nach“! Der Schlüssel dazu liegt faktisch auch in unserer Hand.

O könnten wir doch auch zu unserer Geschichte sagen: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!“