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Predigten

Die Herrlichkeit des Vaters

Predigt von P. Dominikus Trautner OSB am 7. Ostersonntag in der Abteikirche Münsterschwarzach.

Liebe Brüder und Schwestern,

liturgisch gesehen stehen wir am Ende der Osterzeit, kurz vor Pfingsten. Aber das heutige Evangelium setzt uns zurück in die Passionszeit Jesu. Wir hörten einen Abschnitt aus der großen Abschiedsrede Jesu, kurz vor seinem Leiden und seinem Tod.

Dieses Gebet Jesu zu seinem himmlischen Vater wird auch seit dem 16. Jahrhundert das "Hohepriesterliche Gebet" genannt. Es ist nicht nur das längste Gebet Jesu, das uns die Evangelisten überliefert haben, sondern es stellt auch eine hohe theologische und poetische Meisterleistung des Evangelisten Johannes dar.

In diesem Gebet fasst Jesus beim Abschied von seinen Jüngern sein ganzes Wirken zusammen. Jesus erweist sich als Fürsprecher für die Seinen. Und er will noch einmal aufzeigen, worum es ihm in seinem Wirken geht. Nämlich darum, die Herrlichkeit Gottes in dieser Welt aufleuchten zu lassen in seiner Liebe, die sich im Tod am Kreuz vollendet. Und es geht ihm darum, dass wir jetzt schon ewiges Leben erhalten. Die sogenannte Präsentische Eschatologie des Evangelisten Johannes will uns in immer neuen Bildern eindringlich sagen, dass wir jetzt schon in der Mühsal, in den Sorgen, Leiden und Nöten unseres irdischen Lebens hineingenommen sind in die himmlische Herrlichkeit Gottes. "Wer von diesem Brot ist, wird leben in Ewigkeit" oder "wer glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben". Das heißt: Im hier und heute vollzieht sich schon unsere Erlösung.

Der feste Glaube daran gibt uns Kraft und Mut in der Verzweiflung und Aussichtslosigkeit unseres Lebens. Mitten in der Finsternis strahlt uns das Licht der Erlösung auf.

Das Leben, das Jesus uns schenken möchte, wird in diesem persönlichen Gebet Jesu als intime Beziehung zum Vater und zum Sohn offenbar. Wir sind hineingenommen in die Liebe zwischen Vater und Sohn. Darin gipfelt die Botschaft Jesu.

Immer wieder hören wir das Wort "Verherrlichen". Was dieses Wort ganz konkret ausdrücken und uns sagen will, sehen wir plastisch und in Stein gehauen vor uns an der Ostseite unserer Kirche: Der erhöhte, auferstandene und verherrlichte Christus am Kreuz. Hoheitsvoll steht er da, das Leiden schon überwunden mit vergoldeten Wundmalen.

Herrlichkeit und Verherrlichung spielen im Johannesevangelium eine ganz wesentliche Rolle. Schon im Prolog hören wir: "Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit." Das erste Wunder, auf der Hochzeit zu Kana, beschreibt  Johannes so, dass Jesus seine Herrlichkeit offenbarte. Das ganze Evangelium ist durchzogen von der Offenbarung dieser Herrlichkeit. Schritt für Schritt, vom ersten Auftreten über die zahlreichen Heilungen und Wunder bis hin zur Passion.

Diese Verherrlichung hat nichts zu tun mit der glorreichen Inthronisation eines irdischen Königs, sondern sie endet im dramatischen Liebestod Jesus am Kreuz. Aber Jesus bleibt immer souverän und hoheitlich, er schreit nicht "Mein Gott, warum hast du mich verlassen", sondern spricht abgeklärt und vollendet "Es ist vollbracht". In diesem Kreuzestod Jesu zeigt Gott seine ganze Macht und Herrlichkeit. Nicht Tod und Resignation stehen am Ende sondern die Auferstehung zum Leben, ja zum ewigen leben. Wenn wir auf diesen Christus schauen, spüren wir die ganze Liebe, Barmherzigkeit und Güte des himmlischen Vaters, seine Kraft und Stärke, die uns innerlich immer wieder aufrichtet, tröstet und ermutigt, gerade jetzt in dieser schrecklichen Zeit.

Mag sein, dass das Wort "herrlich" oder "verherrlichen" aus unserer Alltagssprache verschwunden ist, aber rufen wir nicht immer wieder spontan das Wort "herrlich", "einfach nur herrlich" aus, wenn wir Erlebnisse und Eindrücke von unaussprechlicher Schönheit mitteilen wollen, etwa wenn wir auf dem Gipfel eines Berges stehen und einfach nur überwältigt, sind, wenn wir eine gotische Kathedrale betreten und vor Staunen sprachlos sind, wenn wir eine ergreifende Musik hören, oder einem wunderbaren lieben Menschen begegnen. Sagt schon Irenäus von Lyon: "Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch."

Kehren wir noch einmal zum Abschiedsgebet Jesu zurück. Auf dem Höhepunkt dieses Gebets geschieht etwas Unerwartetes und Unvergleichliches. Da sagt Jesus nicht mehr wie bisher  "für sie bitte ich", sondern "Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt".

Es ist der tiefste Wunsch und Wille Jesu, Ausdruck seiner tiefsten Sehnsucht und Liebe zu uns, dass auch wir dort sind wo er ist. Was für eine ungeheuerliche, trostvolle Verheißung!

In der Johanneischen Bildsprache bedeutet das soviel wie Ruhen am Herzen des Vaters.

Mich erinnert das spontan an die mittelalterliche Holzplastik die "Johannes Minne" im Kloster Heiligkreuztal. Das Bild zeigt die innige Verbindung zwischen Jesus und seinem Lieblingsjünger Johannes. Es ist ein Bild von einzigartiger Ruhe und tiefer Mystik, das auch unsere Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe zum Ausdruck bringt.

Johannes legt seinen Kopf an die Seite Jesu. Seine linke Hand liegt sanft auf der Schulter des Johannes. Seine rechte Hand liegt in der Hand Jesu. Beide Häupter sind einander liebevoll zugeneigt. Sogar die Falten beider Gewänder verlaufen im gleichen Schwung und Rhythmus, was das Gefühl der Zusammengehörigkeit noch verstärkt.

Schon jetzt mitten in den Turbulenzen unseres Lebens finden wir Ruhe und Geborgenheit, Befreiung von unseren Ängsten und tiefstes Vertrauen und Geborgensein, wenn wir unseren Kopf an die Seite Jesu legen, wenn wir unser Herz in sein Herz legen und darin ruhen.

So dürfen wir jetzt schon etwas erfahren und spüren von der ewigen Vollendung und Herrlichkeit am Herzen des Vaters in der Ewigkeit.