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Predigten

Geist der Lebendigkeit

Predigt von Pater Jesaja Langenbacher OSB am 6. Ostersonntag, 21. Mai 2017, in der Abteikirche von Münsterschwarzach – Evangelium Johannes 14, 15-21

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

jetzt befinden wir uns schon wieder eine ganze Weile in der Osterzeit. Ich weiß nicht, wie es Ihnen und Euch ergeht … vielleicht nicht alles, aber doch so vieles läuft doch so weiter wie bisher … Was hat sich durch Ostern verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert – außer, dass es draußen heller und wärmer geworden ist?

Hatten wir selbst die eine oder andere Begegnung mit dem Auferstandenen – oder befinden wir uns nicht in einer ähnlichen Situation wie die Menschen in Samarien, die das Wort Gottes angenommen hatten, auf den Namen Jesu getauft waren und der Heilige Geist war noch nicht auf sie herabgekommen? Ich glaube ja schon, dass der Heilige Geist auf alle von uns schon herabgekommen ist – aber haben wir das gespürt, wahrgenommen?

Müssten wir uns jetzt nicht einander zuwenden und uns gegenseitig die Hände auflegen (wie es gestern ein Mitbruder am runden Tisch vorschlug), dass wir etwas von dieser Kraft Gottes wahrnehmen und spüren dürfen? Aber wenn wir dann immer noch nichts spüren würden … was dann?

Liebe Schwestern und Brüder, wir wissen alle, dass wir eine Erfahrung des Heiligen Geistes nicht auf Knopfdruck herstellen können. Eine solche Erfahrung ist ein Geschenk – und muss gar nicht in einem großen Rahmen geschehen.

Als die Jünger von Emmaus mit Jesus unterwegs waren, brannte ihnen das Herz. Es ist schon eine anfängliche „Geist-Erfahrung“, wenn wir uns durch eine Begegnung berühren und anrühren lassen, wenn uns ein gutes Wort das Herz aufgehen und warm werden lässt, wenn wir Kindern beim Spielen zuschauen und wir plötzlich wieder etwas von einer Freude und Lebendigkeit im eigenen Herzen spüren, das kurz vorher noch traurig und niedergeschlagen war.

Wenn Jesus von einem Beistand spricht, dem Heiligen Geist, den er uns schickt, dann kann dieser durch ganz konkrete Menschen zu uns hin oder in uns wirken.

Ich möchte Ihnen/Euch eine Begebenheit erzählen, wie sie Eric Butterworth von einer Studie in Indien berichtet: Ein Professor ließ seine Soziologiestudenten in die Slums von Baltimore gehen, um eine Bewertung über die Zukunft von 200 Jungen zu schreiben. Alle Studenten schrieben in dieser Studie: „Dieser und jener Junge hat keine Chance in der Zukunft.“ 25 Jahre später stieß ein anderer Soziologieprofessor auf die frühere Studie und ließ seine Studenten wiederum überprüfen, was mit diesen Jungen passiert war. Mit Ausnahme von 20 Jungen, die weggezogen oder gestorben waren, erfuhren die Studenten, dass 176 der verbliebenen 180 einen mehr als ungewöhnlichen Erfolg erlangt hatten, als Anwälte, Doktoren und Geschäftsleute. – Der Professor war überrascht und beschloss, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Glücklicherweise lebten alle Männer in der Nähe, und er konnte jeden einzelnen fragen: „Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?“ Jeder von ihnen antwortete: „Es gab da eine Lehrerin.“ – Diese Lehrerin war noch am Leben, also machte er sie ausfindig und fragte die alte, aber noch immer aufgeweckte Dame, welche magische Formel sie benutzt habe, um diese Jungen aus den Slums herauszureißen, hinein in erfolgreiche Leistungen. Die Augen der Lehrerin funkelten, und auf ihren Lippen erschien ein leises Lächeln: „Es ist wirklich einfach“, sagt sie. „Ich liebte diese Jungen.“

In diesem Fall war es eine einfache Lehrerin, die durch ihre tiefe, ehrliche Liebe in Hunderten von jungen Menschen eine Kraft hervorgerufen hat, die ihnen eine Zukunft ermöglichte, die die Wissenschaftler ihnen von vornherein abgesprochen hatten.

Was können wir davon lernen? Liebe, wie sie uns das Evangelium auch heute besonders nahe und ans Herz legt, kann einen Geist der Lebendigkeit hervorlocken, der Ungeahntes und Neues hervorbringt – nicht nur bei dieser Lehrerin. Wer Liebe verschenkt und ausgibt, hat nachher nicht weniger Liebe, sondern mehr Liebe und irgendwann eine derartig große Kraft zum Lieben, dass er Ähnliches bewirken kann wie diese Lehrerin. Ich möchte uns heute einladen, alle Menschen, die uns begegnen, so anzusehen, dass wir etwas finden, was sie uns liebenswert machen. Vielleicht kann ich mit dem Vorbild von Mutter Teresa, ihnen ein freundliches Lächeln, ein aufmunterndes Wort, einen Dank aussprechen. Sie sagt: Verbreite Liebe, wo immer du hingehst: zuerst in deinem eigenen Haus. Gib deinen Kindern Liebe, deiner Frau oder deinem Mann, deinem Nachbarn von gegenüber. Lass nie jemanden zu dir kommen, ohne ihn besser und glücklicher wieder gehen zu lassen. Sei du selbst der lebendige Ausdruck von Gottes Güte: Güte in deinem Gesicht, Güte in deinen Augen, Güte in deinem Lächeln, Güte in deinem warmen Gruß.“

Vielleicht können wir uns jetzt wirklich nach links und rechts hinwenden, uns herzlich-freundlich anschauen – und wer mag, tatsächlich ein kleines Kreuz auf die Stirn oder in die Hände hinein zeichnen. Oder wer ganz mutig ist, eine oder beide Hände auf das Haupt meiner Nachbarin, meines Nachbarn legen (natürlich nur mit dem Einverständnis!) und ihr/ihm den Segen und Geist Gottes wünschen, z.B. mit der einfachen Formel: Sei beschützt, gestärkt und gesegnet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Pater Jesaja Langenbacher OSB