Münsterschwarzacher Adventskalender heute mit einem Impuls von P. Udo Küpper OSB.

Der Ohrwurm

Es gibt Sätze, die gehen einem nicht so schnell aus dem Kopf. Wir nennen sie auch Ohrwürmer, vielleicht, weil sie sich durch das Ohr in Kopf und Herz bohren. Von einem solchen Ohrwurm möchte ich erzählen.

Es war in der vorweihnachtlichen Zeit auf dem Bremer Marktplatz. Die große Tanne unten am Parlamentsgebäude war schon geschmückt. Goldene Kugeln und rote Schleifen leuchteten im Tannengrün. Ich steuerte auf die Arkaden am Rathaus zu, einen großen warmen Herrenpullover in einer Tüte unter dem Arm. Hier auf den kalten steinernen Bänken sitzen immer ein paar durchgefrorene Gestalten, zumeist Männer mit ihrer wenigen Habe neben sich. Der warme gestrickte Pullover in meiner Tüte würde sicher einem von ihnen gefallen. Und so war es auch. Die drei Männer, denen ich das gute Stück anbot, waren sich indes uneins, wer den warmen Pullover bekommen sollte. Da sagte der eine: „Geben Sie ihn Olli. Olli hat nur ein T-Shirt unter der Jacke. Der braucht ihn am meisten“. Und die anderen zwei nickten zustimmend.

„Der braucht ihn am meisten“, das war mein Ohrwurm in den kommenden Tagen. Mal als Aufforderung, mal als Frage, auch an mich selbst gerichtet: Wer braucht dich jetzt am meisten? Und: Was brauchst du selbst jetzt am meisten?
Als ich den Marktplatz überquerte spielte ein reisender Musikant gerade das Lied von der frohen, der Gnaden bringenden Weihnachtszeit.

Wie recht er hatte.

Von Regine Correns