Predigt zum Professjubiläum am Kirchweihfest 2025

Wir Jubilare freuen uns, mit Euch unser Professjubiläum zu feiern. Wir feiern heute aber zugleich Kirchweih. Dabei geht es nicht nur um die Weihe dieser Kirche, sondern wie Paulus im 1. Korintherbrief schreibt, geht es um die Gemeinschaft der Kirche. Der Tempel Gottes seid ihr, sagt Paulus. Paulus selbst hat wie ein guter Baumeister den Grund für den Tempel der christliche Gemeinde gelegt. Aber jetzt sind andere dran, an diesem Tempel der Kirche weiter zu bauen. Wir Jubilare haben jeder auf seine Weise den Grund gelegt, auf dem andere weiter bauen werden.
Br. Titus hat 65 Jahre lang der Landwirtschaft ihr Gepräge gegeben und noch im Alter seine Lebensspur des Optimismus in diese Welt eingegraben. P. Udo hat in seinen 60 Jahren Profess seine Spuren hinterlassen als Regens im Internat, als er für die Kinder den Grund des Glaubens gelebt hat, als Leiter des Gästehauses und als Prior hier und in Damme hat er die Gemeinschaft aufgebaut und in der Begleitung vielen Menschen neue Zuversicht vermittelt. Ich habe versucht, mit Worten ein Haus zu bauen, durch meine Bücher und Vorträge ein Haus zu bauen, in dem sich Menschen verstanden fühlen, neue Kraft schöpfen und gerne wohnen. Br. Florian hat als Landmaschinenmechaniker den Landwirten hier und in Tansania geholfen, ihre Felder gut zu bebauen. Und heute deckt er täglich uns Mönchen den Tisch. Br. Thomas Morus hat die Landwirtschaft hier und in Tanzania mit neuen Ideen befruchtet und heute erfreut er den Konvent hier mit seinen Hasenbraten und mit seinem Humor. Nicht nur wir Mönche bauen an der Kirche weiter, sondern jeder von uns mit der Lebensspur, die er in diese Welt eingräbt. Kirche bedeutet Verbundenheit. Jeder, der in dieser polarisierten Gesellschaft, in der jeder nur um sich kreist, Verbundenheit schaffen, indem er andere anspricht oder ihnen freundlich zulächelt. Dort, wo Verbundenheit entsteht, ist Kirche, mitten in der Welt.
Paulus spricht vom Tempel Gottes als Bild für die Gemeinschaft. Das Evangelium spricht dagegen vom Tempel, der jeder von uns ist. Was Jesus von sich sagt, dass er der wahre Tempel ist, das dürfen wir auch auf uns beziehen. Jesus stellt uns vor die Alternative, Tempel zu sein oder aber Markthalle. Auch im Alter erleben wir uns oft als Markthalle. Da lärmen die Gedanken in uns. Da denken die Geldwechsler in uns ständig darüber nach, welchen Kurswert wir haben. Wir vergleichen uns ständig mit andern und fragen uns, was die andern von uns halten. Und in uns sind mit den Rindern das Triebhafte, mit den Schafen das Zwanghafte und mit den Tauben die Gedanken, die in uns herumschwirren, mit dem Kopfkino, das wir kaum abschalten können. Wenn Jesus in unseren Tempel eintritt, dann vertreibt er die lärmenden Gedanken der Händler aus unserem Tempel, dann haben all diese oberflächlichen Gedanken keine Berechtigung mehr in uns. Dann vertreibt Jesus das laute Geschrei in der Markthalle. Dann verwandelt er unsere Markthalle wieder in einen Tempel. Ob einer Markthalle oder Tempel ist, das spürt man an seinem Leib. Wer Markthalle ist, der muss das innere Chaos in sich zusammenhalten. Er verkrampft sich und zieht alle Muskel zusammen. Wer Tempel Gottes ist, der hat eine Ausstrahlung von Weite und Freiheit, von Schönheit und Liebe.
Wir machen oft die Erfahrung, dass uns ein Kirchenraum zu einem neuen Gespür für uns selbst führt. In einer romanischen Kirche fühlen wir uns geborgen und geschützt, in einer gotischen Kirche richten wir uns auf und erleben unsere Würde. In einer barocken Kirche entdecken wir unsere eigene Schönheit und Buntheit. Wenn wir Mönche jeden Tag fünfmal in unsere Abteikirche einziehen, weitet sich von selbst unser Herz. In einer so großen und weiten Kirche kann man kein enges und kleinkariertes Herz haben. Aber natürlich sind wir oft in diese Kirche eingezogen, ohne dass sie uns verwandelt hat, weil wir nicht achtsam waren. Viele Menschen, die sich in unsere Kirche setzen, um still zu werden, und die vielen, die mit uns Gottesdienst feiern, spüren in den runden Bögen, dass Gottes Segen Sie umgibt und schützt. Und wenn sie auf das Kreuz schauen, an dem Jesus seine Arme weit ausbreitet, um uns mit unseren Gegensätzen zu umarmen, dann fühlen sie sich durch die Umarmung mit sich in Einklang und alle Zerrissenheit weicht von ihnen.
Die Kirche hat nicht nur nach innen eine heilende Wirkung, sondern auch nach außen. Ein buddhistischer Philosoph aus Taiwan, der in Paris studierte, hat sich oft in eine katholische Kirche gesetzt und den Raum wahrgenommen. Und dann ist er langsam durch das Stadtviertel um die Kirche herum gegangen. Er hat festgestellt, dass die Umgebung einer Kirche eine positivere Ausstrahlung hat als die Viertel, die durch Hochhäuser oder Geschäfte geprägt sind. Und ich weiß von vielen Gästen, dass sie sich schon innerlich daheim fühlen, wenn sie von der Autobahn kommend die vier Türme unserer Kirche sehen. Mitscherlich hat ein Buch geschrieben „Die Unwirtlichkeit der Städte“. Er meint, eine wohnliche Stadt braucht ein Herz. Und das ist oft genug die Kirche.
Wir feiern jetzt miteinander die Kirche in einer Zeit, in der die Kirche immer mehr an Bedeutung in der Gesellschaft verliert. Jeder von uns baut an dieser Kirche durch unsere Ausstrahlung, durch die Lebensspur, die jeder in diese Welt eingräbt. Indem wir mitten im Alltag Verbundenheit schaffen zwischen den Menschen, bauen wir Kirche. Und wir dürfen vertrauen, dass wir gemeinsam in diese Welt eine Spur der Weite und der Schönheit, eine Spur der Liebe und der Barmherzigkeit und eine Spur des Friedens eingraben und dadurch zum Sauerteig der Hoffnung werden für unsere Gesellschaft. Amen.