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Predigten

Predigt: Fensterblick auf das Fest der Weihe der Laterankirche

Der „Fensterblick“ am Sonntag fällt auf das Fest der Weihe der Laterankirche

Kirchweihfest LATERAN
1 Kor 3,9c-11.16-17; Joh 2,13-22

Kein Tag vergeht, ohne dass wir mit der Welt in Kontakt treten. Ein Blick aus dem Fenster genügt, wir sehen Licht, wir sehen Bewegungen, wir hören Stimmen und Geräusche. Der Mensch ist immer „online“. Doch was uns wirklich berührt, hängt davon ab, was uns im Innersten bewegt, woran wir glauben.

Der „Fensterblick“ dieses Sonntags fällt auf das Fest der Weihe der Laterankirche, der Bischofskirche des Bischofs von Rom, also des Papstes. Sie wird „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises“ genannt.  Im Jahr 324 n. Chr. gab Kaiser Konstantin den Auftrag im Lateranviertel Roms die erste offizielle Kirche der Christenheit zu errichten. Sie wurde zum sichtbaren Zeichen eines enormen Umbruchs. Aus der verfolgten Märtyrerkirche wurde eine anerkannte Bekennerkirche. Der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn konnte nach bitterer Zeit der Bedrängnis und Verfolgung nun frei praktiziert werden. Ein Jahr später, 325 berief Kaiser Konstantin das erste ökumenische Konzil nach Nicäa ein und stärkte damit die Position der Bekennerkirche.

Wenn Papst Leo Ende November die Türkei und den Libanon besucht, dann pilgert er zu den Wurzeln unseres Glaubens, wo vor 1700 Jahren in Nicäa in der heutigen Nordwesttürkei das dogmatische Fundament unseres Glaubens gelegt wurde. Nach theologischen Streitigkeiten jener Zeit über das Verhältnis Jesu Christi zum Vater legte das Konzil das bis heute gebetete Große Glaubensbekenntnis fest. „Jesus Christus - Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, eines Wesens mit dem Vater.“

In einer Zeit, in der unsere Welt Rückschritte erlebt durch Spaltungen, Konflikte und fundamentalistische Gegensätze, will Papst Leo ein Zeichen der Verständigung und guten Willens setzen. Die Kirche ist dann glaubwürdig, wenn sie die Brücken weiter ausbaut und Verbindungen eingeht, zwischen den Konfessionen und Religionen, ja zwischen den Menschen in Ost und West.
Ökumene nimmt die Gemeinschaft der Christen des ganzen Erdkreises in den Blick mit dem Auftrag Spaltungen zu überwinden und die Christen der verschiedenen Denominationen zur gemeinsamen Mitte zu führen: zu Christus, wahrer Gott vom wahren Gott, Licht vom Licht, gekommen für uns Menschen und zu unserem Heil.

Für viele mögen diese Bekenntnisworte wie ein alter Hut klingen. Doch für die frühen Christen war das die prägende Erfahrung, dass ihr Glaube umso lebendiger blieb, je offener sie zu Christus und zu Gott sich bekannten. Es entstanden über Jahrhunderte hinweg Pilgerstätten, Kirchen und Versammlungsräume, geistliche Räume, an denen Menschen Gott erfuhren und etwas Entscheidendes erlebten. Glaube ist mehr als Wissen, mehr als Tradition. Glaube will erfahren werden und sich in guter Weise ereifern.

In der Lesung aus dem ersten Korintherbrief hörten wir das Statement des hl. Paulus: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt!“ Aus seiner Aussage könnte man einen vorwurfsvollen Ton heraushören, als ob wir noch nie mit Gottes Geist in Berührung gekommen wären. Wisst Ihr es nicht? Wofür der Tempel stehen soll, setzt Paulus voraus. Doch scheint die tiefere, übertragene Bedeutung nicht klar zu sein aus welcher Kraft und Dynamik der Bau lebt.

Wodurch sollen wir heute wissen, dass Gott in uns wohnt, wenn uns die Dynamik des Geistes Gottes fremd ist und die Erfahrung fehlt? Viele Menschen sagen heute: Kirche und Glaube - das hat mit meinem Alltag und Leben nichts zu tun. Aber Paulus spricht uns an, als wäre es selbstverständlich: „Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr!“

Lange Zeit wusste der hl. Franziskus selbst nicht, bevor ihn das erschütternde Erlebnis traf, was es heißt, Tempel Gottes zu sein, bis er im verfallenen Kirchlein San Damiano die Stimme Christi hörte: „Franziskus, baue meine Kirche wieder auf!“ Zuerst verstand er diese Worte wörtlich; er schaffte Steine herbei und besserte Mauern aus. Bald aber musste er erkennen, dass diese Worte ihn existentieller treffen sollten.  Gemeint war nicht das Mauerwerk von San Damiano, er sollte Fundament und Gemäuer der Kirche Jesu Christi angehen, sie reformieren und eine neue Form geben. Daraus entstand eine Gegenbewegung zur etablierten Kirche der Fürsten, Mächte und Gewalten, der Orden der Minderen Brüder. „Franziskus, baue meine Kirche wieder auf!“

Diesen Zuruf könnten wir auch aus dem heutigen Evangelium heraushören. Jesus geht energisch gegen die Geschäftemacher im Tempel vor, er wirft sie hinaus. Sie haben aus dem Heiligtum eine Markthalle gemacht. Voller Ärger lässt er alles wegschaffen, was nicht hineingehört und die Tempelatmosphäre verdreht. Er gerät deswegen in Rage, wenn er fortfährt: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Er spricht hier nicht vom Tempel in Jerusalem, sondern prophetisch von sich selbst, von seinem Leib, der am Kreuz hängen wird und als wahrer Gott im Licht der Auferstehung andere Maßstäbe setzt. Der Tempel seines Leibes wird zerrieben und erscheint gerade darin in einer neuen, phänomenalen Gestalt, aus der heraus der Geist Gottes das Wort Friede spricht.

Sollte Jesu zornige Attacke im Tempel den Jüngern nicht unter die Haut gegangen sein?  Ich meine sehr wohl. Wir hörten die Worte im Evangelium, dass sich die Jünger erinnerten: „Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren!“ Der Eifer kostet seinen Preis, der äußere Mensch wird dabei aufgerieben, wie es Paulus im 2. Korintherbrief schreibt: „Wenn auch der äußere Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert“. Es ist also der gute Eifer, der in uns wohnt, als eines der Kriterien zu dem Wort „Wisst ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid und Gottes Geist in euch wohnt!“ In einem jeden, einer jeden von uns ist dieser gute Eifer grundgelegt. Wo der gute Geist uns lockt und einfordert, sollen wir wissen, dass Gott in uns wohnt als das Fenster für den Innen- und Außenblick und es uns drängt hinzuschauen. Der gute Eifer - wir alle könnten Beispiele aufzählen, wo wir uns in guter Weise richtig ereifert haben.

Diesen Eifer sollen die Mönche in glühender Liebe pflegen, schreibt der hl. Benedikt im vorletzten Kapitel der Regel; dazu kurze Anklänge:

„Sie (die Mönche) sollen sich in gegenseitiger Achtung übertreffen. Ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen sollen sie gegenseitig mit großer Geduld ertragen. Die brüderliche Liebe sollen sie einander selbstlos entgegenbringen. Sie sollen gar nichts höherstellen als Christus, der uns alle miteinander zum ewigen Leben führe (cf RB 72)“.

Der gute Eifer, von dem Benedikt spricht, hält das Innere unseres Herzens lebendig. Er ist Programm genug für die alltägliche innere Erneuerung, dass der Tempel aufgeräumt bleibt. Und das hält jung! Das sollte auch auf der Tagesordnung der Ökumene stehen.  Sie, die Brüder und Schwestern aller Bekenntnisse sollen gar nichts höherstellen als Christus, der uns alle miteinander zum ewigen Leben führe – Amen.