Predigt zum 2. Advent 2025
Warten – Zweiter Advent – 1.Lesung Jes 11,1-10 – Evangelium Mt 3,1-12
Warten:
Das, liebe Schwerstern und Brüder, ist nicht jedermanns Sache. Wohl aber Gottes Sache. Gott kann warten und wartet – so manches Mal länger, als es dem einen und anderen lieb sein mag. Wo wir vielleicht voller Unruhe, Ungeduld und Unverständnis, gar Ärger oder Wut sind – da wartet Er einfach.
Warum? Wir wissen es nicht. Er hat Seine eigene Zeit. Er hat den Überblick, Er kennt sogar die Zukunft. Zugleich hat Er die Freiheit, zu handeln oder sich zurückzuhalten. Wenn wir etwas Bestimmtes wollen, wenn wir etwas bei Ihm durchsetzen möchten, dann haben wir zu warten, bis Er Seine Entscheidung gefällt hat.
Wohl dem, der warten kann. Wohl der, die warten kann. Wer zu warten vermag, kommt besser durch das Leben. Er vermeidet hastige, aus Ungeduld, Ärger oder gar Jähzorn entstandene Handlungen, die er später womöglich bitter bereut. Wer warten kann, bewältigt viele Situationen besser. Warten ist eine Kompetenz, eine gute Fertigkeit für das Leben – ganz nahe an der Tugend der Geduld.
Wie bedeutsam die Fähigkeit zu warten ist, kann man schon bei Kindern erkennen. Dazu gibt es berühmte psychologische Versuche. Ergebnis: Kinder, die schon als Dreijährige in der Lage waren zu verzichten und auf etwas Schönes zu warten, erzielten später als Schüler und Studenten die besseren Prüfungsergebnisse, bekamen im Arbeitsleben die besser bezahlten Stellen, machten eine steilere Karriere.
Wenn Gott uns zumutet, auf etwas zu warten, dann lehrt Er uns damit zu leben, dann macht Er uns dadurch zu kompetenten, tüchtigen Menschen. Auf diese Weise hilft Er uns indirekt, unser Leben besser zu bewältigen.
Advent ist die Zeit der Erwartung. Darauf weist uns auch die 1. Lesung hin. Sie beschreibt das Kommen eines Retters, der eine wunderschöne Zukunft bringen wird: „an jenem Tag“. Wir erfahren in diesen adventlichen Tagen wieder, was Prinzip der gesamten Heilsgeschichte ist: Gott handelt in Seiner Zeit, und wir haben unter Umständen zu warten. Angesichts der Drohungen Johannes des Täufers, von denen wir im Evangelium gehört haben, tue ich das ganz gerne.
Wie lange mag Gott wohl gewartet haben, bis Er etwas aus sich hervorgehen ließ? Wie viele Jahrmillionen mußten vergehen, bis es die Wesen gab, die wir heute als Menschen bezeichnen? Wie viele Generationen mußten einander folgen, bis Gott den Abraham aus seiner Heimat gerufen hat – in ein völliges Vertrauen auf Sein Wort? Wie lange mußte das Volk in Ägypten in der Sklaverei schmachten, bis Mose es mit göttlicher Hilfe befreien und durch die Wüste führen konnte? Später - in der Verbannung – mußten sie Jahrzehnte ausharren, bis sie in die Heimat zurückkehren konnten. Immer wieder wurde das auserwählte Volk bedrängt, mußte ein um das andere Mal hoffen und beten – und warten.
Jahrhunderte vergingen so, mit Hoffen und Beten und Warten auf einen Retter – bis endlich Jesus geboren wurde. Etwa 30 Jahre vergingen, bis Er während der Taufe durch Johannes des Täufers Sein großes Erleuchtungs- und Berufungserlebnis hatte. Und 40 Tage Wüstenzeit mußte Er zunächst durchstehen, bevor Er Seine Verkündigung beginnen konnte.
Warten scheint ein Prinzip der Heilsgeschichte zu sein. Es wird auch uns im persönlichen Leben und im Leben mit Gott zugemutet. Wenn wir Advent feiern, versetzen wir uns – angeregt durch die Texte, vor allem der Propheten – gedanklich in die Zeit des auserwählten Volkes, als es auf einen Erlöser wartete und hoffte.
Worauf warte ich in dieser Adventszeit?
Was ist das Wichtigste, auf das ich warte?
Was erwarte ich von Gott?
Und umgekehrt: Was erwartet Gott wohl von mir in diesen adventlichen Tagen?
Amen.