Predigt zum Heiligen Abend 2025
Liebe Schwestern und Brüder hier in der Abteikirche ,
und die Sie über den Live-Stream jetzt mit uns verbunden sind,
liebe Mitbrüder!
Ich könnte jetzt wieder das „Leid der Welt“ aufzählen. In diesen Tagen geschieht das in den Predigten und Ansprachen wahrscheinlich fast überall. Und es ist ja auch schlimm mit den großen globalen und internationalen Problemen, mit den Nöten der Welt, den Herausforderungen in unserem Land. Den Leiden der vielen Menschen, aber sicher auch mit den Ängsten, Sorgen und Problemen in unserem persönlichen Leben, in unserem Zusammenleben und auch in unseren eigenen Herzen. Es scheint, dass es schon immer so war, dass die Welt im Argen liegt. Auch zur Zeit des hl. Benedikt im 6. Jahrhundert gab es Seuchen, Unruhen, Kriege und Katastrophen.
Aber Gott hat uns doch nicht zum Leiden an seiner guten Schöpfung erschaffen, sondern dazu, mit ihm gemeinsam das Licht der Liebe stärker sein zu lassen als das Dunkel, den Fluch zu überwinden durch die Kraft des Segens, wie der hl. Benedikt sagt (vgl. RB 4,32).
Und darum können wir uns fragen:
Was liegt denn eigentlich unter all den Herausforderungen?
Was ist das Eigentliche, das Tiefere, das Umfassendere, von dem das Ganze getragen und durchdrungen ist und von dem alles zusammengehalten wird?
Was ist dieser tiefste Sinn und Wert in mir und der Wirklichkeit unseres Lebens
Wenn ich tief in mich hineingehe, wenn ich all das Schwere, was sich auf mich gelegt hat, wegräume, dann entdecke ich einen Ort der Stille und des Friedens in mir. Dann sind die Schatten weg, weil alles vom Licht erleuchtet wird.
„Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkünden: Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm“, so sagt es der 1. Johannesbrief, aus dem wir eben die Lesung gehört haben.
In jedem von uns wohnt dieses Licht des göttlichen Lebens. Wer sich dessen gewahr wird, den erfüllt es mit großer Freude.
In den adventlichen und weihnachtlichen Tagen sprechen wir in der Liturgie oft von der Ankunft oder Wiederkunft des Herrn:
Er kommt uns entgegen, er ist unterwegs zu mir! Er meint mich persönlich. Seine Ankunft, seine Geburt meint den Stall meines Herzens, Weihnachten meint mich, die Gottesgeburt in mir.
Es kann doch nicht sein, dass wir diese Botschaft jedes Jahr hören und sie nicht Wirklichkeit ist! Sonst hätte sie doch nicht 2000 Jahre überdauert. Da muss doch was dran sein!
Der Theologe Karl Rahner brachte diese Botschaft in einem wunderbaren meditativen Text zum Ausdruck:
„Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in unsere Welt hineingesagt.
Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt, du Mensch. Ich bin da: Ich bin bei dir. Ich bin dein Leben. Ich bin deine Zeit.
Ich weine deine Tränen.
Ich bin deine Freude.
Fürchte dich nicht!
Wo du nicht mehr weiterweißt, bist du schon bei mir angelangt und merkst es nicht.
Ich bin in deiner Angst, denn ich habe sie mitgelitten.
Ich bin in deinem Leben, und ich verspreche dir: dein Ziel heißt Leben“ (Auszug aus: Rahner, Karl: Kleines Kirchenjahr, München 1954, 15-19).
Ist das nicht tröstlich zu wissen, dass Gott schon bei mir ist, immer und überall „dabei“ ist und wir in all unseren Freuden und Leiden, in all unserer Trauer und Angst nie allein sind – dass „Weihnachten“ schon längst ist?
In allem Dunkel der Welt erlischt nie das Licht der Gegenwart Gottes, auch wenn es nur ein Funke ist – das Licht ist stärker. Denn „Gott ist das reine Licht, in dem keine Finsternis ist“ (1 Joh 1,5)
Wir haben Gemeinschaft mit Ihm, wir gehören zu Ihm, wir sind getauft; dieses Licht ist wirklich in uns!
Und wir tun so, als würden wir noch in der Finsternis wandeln…wie wenn wir es vergessen. Doch wir sind und bleiben Kinder des Lichtes. Unsere Seele weiß, dass das so ist.
Ich vermute, hoffe und wünsche, dass Sie, liebe Schwestern und Brüder, heute Abend vielleicht nicht nur aus traditioneller Gewohnheit und lästiger Pflicht Weihnachten feiern, sondern:
Weil Sie einen Funken dieses Lichtes der göttlichen Liebe in sich selber und im Zusammensein mit anderen Menschen schon erfahren haben.
Weil Sie „den Stern“ schon gesehen haben.
Weil Sie spüren, dass Gott in uns und mit uns lebt – mitten
in meinem Leid,
in meiner Einsamkeit,
in meinen Tränen,
im Dunkel dieser Zeit.
Wir wissen um eine andere Wirklichkeit!
So schauen wir auf zu den Sternen, die leuchten in der finsteren Nacht.
Angelus Silesius hat das Lied geschrieben „Morgenstern der finstern Nacht“ (GL 372). Er hat wohl etwas erfahren von diesem Licht, das auch mitten in der Nacht, mitten im Dunkel aufscheint. Und er hat den Glanz dieses Lichtes in sich und allem Leben gespürt:
1. Morgenstern der finstern Nacht,
der die Welt voll Freuden macht,
Jesu mein, komm herein,
leucht in meines Herzens Schrein.
2. Schau, dein Himmel ist in mir,
er begehrt dich, seine Zier.
Säume nicht, o mein Licht,
komm, komm, eh der Tag anbricht.
3. Deines Glanzes Herrlichkeit
übertrifft die Sonne weit;
du allein, Jesu mein,
bist, was tausend Sonnen sein.
4. Du erleuchtest alles gar,
was jetzt ist und kommt und war;
voller Pracht wird die Nacht,
weil dein Glanz sie angelacht.
5. Deinem freudenreichen Strahl
wird gedienet überall;
schönster Stern, weit und fern
ehrt man dich als Gott den Herrn.
6. Ei nun, güldnes Seelenlicht,
komm herein und säume nicht.
Komm herein, Jesu mein,
leucht in meines Herzens Schrein.
Amen.