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Aktuelles Mission

Den Christen genügt es heute nicht mehr, nur von Gott zu hören - Der neue Ruf ist da

Gedanken zum Thema Mystik - von Anselm Grün im neuen Ruf in die Zeit

Den Christen genügt es heute nicht mehr, nur von Gott zu hören. Sie begnügen sich nicht damit, die Lehre der Kirche über Gott zu vernehmen. Sie wollen Gott erfahren. Und Gotteserfahrung hat immer mit Mystik zu tun. Denn Mystik ist nach einer alten Definition des Thomas von Aquin eine „cognitio Dei experimentalis“, das heißt, eine erfahrungsmäßige Erkenntnis Gottes. Die Menschen suchen heute nach Gott und nach Gotteserfahrung. In den letzten dreißig Jahren haben viele Menschen nach spirituellen Wegen in anderen Religionen gesucht. Die Kirche hatte ihre eigene mystische Tradition vernachlässigt. Heute hat die Kirche die Aufgabe, die Menschen auf ihrer Suche nach Gotteserfahrung zu begleiten. Das kann sie nur, wenn sie sich der mystischen Tradition zuwendet. Nur so wird sie fähig, die Sehnsucht der Menschen nach Gotteserfahrung anzusprechen.
Die Mystik der Kirche war immer Schrift- und Kultmystik. Daher ist es wichtig, im Umgang mit der Bibel wieder die mystische Schriftauslegung zu entdecken. Viele haben die Bibel moralisierend ausgelegt und sind damit den Menschen auf die Nerven gegangen. Denn Moralisieren erzeugt nur ein schlechtes Gewissen. Die mystische Schriftauslegung, wie sie schon im 3. Jahrhundert der große Origenes entwickelt hat, versteht die Bibel als Beschreibung unseres wahren Seins. Die erste Frage, mit der wir die Texte der Bibel betrachten, ist: Wer bin ich? Wenn diese Worte Gottes über mich stimmen, wie erfahre ich mich dann? Was ist dann mein innerstes Wesen? Die mystische Erfahrung ist immer zugleich Gotteserfahrung und Selbsterfahrung. Wenn mir Gott aufgeht, dann geht mir auch das Geheimnis meines eigenen Lebens auf, dann erkenne ich mein wahres Selbst.